Philipp Ingenillem ist Shareholder und CSO von Online Birds. Im Interview spricht er über die Ergebnisse vom Hotel Digital Score Branchenreport 2023, den das Unternehmen kürzlich veröffentlichte.
Der durchschnittliche Score, der die Online-Marketing-Performance deutscher Privathotels zum Ausdruck bringt, ist gegenüber 2022 leicht rückläufig. Welche sind die wesentlichen Gründe dafür?
Der Rückgang, das möchte ich vorausschicken, betrifft vornehmlich Hotels niedriger Sterne-Kategorien. Häuser höherer Kategorien haben sich gegenüber dem vergangenen Jahr verbessert. Es geht um die notwendige personelle und zeitliche Kapazität sowie das Know-how und Budget, um Fortschritte im Online Marketing machen zu können – und in diesen Punkten sind viele Privathotels leider nicht sonderlich gut aufgestellt. Die Herausforderungen an einen Hotelier sind mittlerweile so enorm wie mannigfaltig. Da bleibt professionelles Online Marketing nicht selten auf der Strecke.
Umso mehr erstaunt, dass jetzt viele in der Branche anfangen, sich mit Künstlicher Intelligenz (KI) zu beschäftigen. Sollten nicht erst mal die digitalen Hausaufgaben gemacht werden?
Fakt ist: KI ist für die Hotellerie extrem relevant, wird sich nach meinem Dafürhalten zum Game Changer entwickeln, neue Perspektiven eröffnen, die Branche verändern und sich in den kommenden zwei bis vier Jahren zunehmend durchsetzen. Ist KI in der Branche angekommen? Teilweise. Die digitalen Grundlagen werden aber von vielen Betrieben nicht beherrscht. Ein Hotel sollte sich in der Tat zunächst mal auf die sogenannten „low hanging fruits“ konzentrieren. Die Führungskräfte müssen sich der Bedeutung des Themas bewusst sein, ansonsten wird sich nichts verändern. Die Buchungsportale haben zuletzt weitere Marktanteile in der Distribution hinzugewonnen. Das ist aus Sicht der Privathotellerie eine katastrophale Entwicklung. Die Ruhe in der Pandemie war eine riesige Chance für die Hotellerie, sich digital neu aufzustellen. Aber die meisten Unternehmen haben es leider wieder versäumt.
Werden die durch immer neue Herausforderungen überforderten Betriebe aufgrund ihrer Online-Marketing-Schwächen im Wettbewerb weiter zurückfallen?
Das steht zu befürchten. Dabei wäre es durchaus möglich, durch konsequent digitalisierte Prozesse, Outsourcing und trennscharfe Positionierung wettbewerbsfähig zu bleiben.
Für die Privathoteliers in Österreich haben Sie einen deutlich höheren durchschnittlichen Score ermittelt als in Deutschland. Was machen die Österreicher besser?
Der Tourismus in Österreich hat einen ganz anderen Stellenwert als bei uns. Gastgebertum wird dort wirklich gelebt und erfährt eine entsprechende Wertschätzung in der Bevölkerung. Dazu kommt, dass die dortigen Hoteliers deutlich mehr in das Thema Online Marketing investieren als ihre Berufskollegen in Deutschland. Und das zahlt sich aus.