Warum nur immer dieser Aufhebungsvertrag?
Gut gemeint, ist nicht (immer) gut gemacht!
Heute schreiben wir über etwas, das im ersten Moment völlig stressfrei daherkommt. Es geht um den Aufhebungsvertrag. Klingt unspektakulär und ist es an sich auch. Jedenfalls solange, wie der Arbeitnehmer seine Entscheidung, das Arbeitsverhältnis auf diese Art und Weise zu beenden, nicht reut. Wenn das aber der Fall sein sollte, entpuppt sich der Aufhebungsvertrag in vielen Fällen als böse Falle.
Warum ist der Aufhebungsvertrag unter Arbeitgebern so beliebt?
Der Aufhebungsvertrag ist deutlich weniger konfrontativ als eine arbeitgeberseitige Kündigung. Und dennoch birgt der Aufhebungsvertrag Gefahren in sich.
Nehmen wir ein ganz einfaches Beispiel:
Arbeitgeber X beschäftigt Arbeitnehmer Y. Immer wieder fällt Y durch unsorgfältige Arbeit auf, an manchen Tagen kommt Y zu spät zur Arbeit, mal meldet er sich verspätet krank. Zudem ist Y unfreundlich zu Kunden, was auch schon mehrfach zu Beschwerden geführt hat. Mit anderen Worten: Y ist ein Arbeitnehmer, den kein Arbeitgeber braucht. Nachdem Arbeitgeber X zu der endgültigen Erkenntnis gelangt ist, dass auch noch so gutes Zureden, noch so viel Verständnis für die persönliche Nöte des Y die Situation nicht dauerhaft verbessert, sucht er das Gespräch mit seinem Mitarbeiter. Im Verlauf des Gesprächs überschüttert X den Y mit Vorwürfen, wird laut und droht schließlich dem inzwischen völlig verängstigten Y mit dem Ausspruch einer außerordentlichen und fristlosen Kündigung, für den Fall, dass man nicht heute zu einer Lösung in Form eines Aufhebungsvertrages komme. Dabei führt X dem Y die mit dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung verbundenen finanziellen Einschränkungen bis hin zur sog. Sperrfrist beim Bezug von Arbeitslosengeld vor Augen und erreicht es schließlich, dass der Y den Aufhebungsvertrag – immer noch eingeschüchtert durch X – mit zitternder Hand unterschreibt.
So weit, so gut, werden Sie vielleicht sagen. Ergebnis erreicht. Arbeitsverhältnis beendet. Fall abgeschlossen. Und das wäre natürlich schön gewesen, aber unser Fall geht (leider) noch weiter. Denn schon am Tag nach dem geschilderten Geschehen kommen dem inzwischen wieder mental gefestigten Arbeitnehmer Y Zweifel, ob das mit dem Aufhebungsvertrag so eine gute Idee gewesen ist. Spätestens der Besuch bei der für Y zuständigen Bundesagentur für Arbeit bestätigt ihn in seiner Annahme, dass nicht nur der ihm angedrohte Ausspruch einer fristlosen Kündigung für den Bezug von Arbeitslosengeld nachteilig sein kann, sondern auch der von X und Y unterschriebene Aufhebungsvertrag. Und das wiederum veranlasst den Y, einen Rechtsanwalt aufzusuchen. Und so kommt es, dass Arbeitgeber X ca. zwei Wochen später eine Klageschrift vom örtlichen Arbeitsgericht verbunden mit einer Ladung zum Gütetermin erhält! Spätestens hier endet die durch X erhoffte, wenig konfrontative Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag.
Wo steckt das Problem?
Es gibt inzwischen eine geradezu ausufernde Rechtsprechung bis hin zum Bundesarbeitsgericht (BAG), die dem wirksamen Abschluss eines Aufhebungsvertrages eine Reihe von Grenzen setzt. In dem zuvor geschilderten Beispielsfall sind gleich zwei kritische Punkte zu beobachten.
Das Gebot fairen Verhandelns
Zum einen hat der Arbeitgeber X seinen Mitarbeiter Y massiv psychisch unter Druck gesetzt. Unterstellt man, dass X das erkannt, möglicherweise sogar angestrebt hat, dann könnte der Arbeitgeber gegen das Gebot fairen Verhandelns verstoßen haben. Dazu im Originalton das BAG in einer recht aktuellen Entscheidung (BAG, Urt. v. 07.02.2019, Aktenzeichen 6 AZR 75/18):
„Ein Aufhebungsvertrag ist (…) unwirksam, wenn er unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist.“
Was heißt das? Was versteht man unter dem „Gebot fairen Verhandelns“? Dazu meint etwa das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Urt. v. v. 19.05.2020, Aktenzeichen 5 Sa 173/19):
„Eine Verhandlungssituation ist als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht.“
Es kann also durchaus sein, dass in dem hier geschilderten Fall bereits wegen des Verstoßes gegen das Gebot fairen Verhandelns der Aufhebungsvertrag als unwirksam betrachtet werden muss und demzufolge das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortzusetzen ist.
Die Gefahr der Anfechtung
Ein weiteres (rechtliches) Problem im Beispielfall besteht darin, dass der Arbeitnehmer bzw. dessen Anwalt unter Umständen eine sog. Anfechtung ausspricht, und zwar gestützt darauf, dass der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber im Zusammenhang mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrages widerrechtlich bedroht wurde. Dazu meint das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urt. v. 25.01.2022, Aktenzeichen 7 Sa 1394/21):
„Gemäß § 123 Abs. 1 Alternative 2 BGB kann derjenige, der widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt wird, die Erklärung (…) anfechten. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass die Ankündigung des Arbeitgebers, er wolle das Arbeitsverhältnis durch eine außerordentliche Kündigung beenden, falls der Arbeitnehmer nicht (…) einen Aufhebungsvertrag abschließe, eine Drohung darstellt (…). Widerrechtlich ist die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung dann, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. (…). Wenn der Arbeitgeber unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls davon ausgehen muss, die angedrohte Kündigung werde im Fall ihres Ausspruchs einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er die außerordentliche Kündigung nicht in Aussicht stellen, um damit den Arbeitnehmer zum Abschluss einer Beendigungsvereinbarung zu veranlassen (…).“
Viele Worte in einem Satz zusammengefasst: Wenn die gegenüber dem Arbeitnehmer im konkreten Fall erhobenen Vorwürfe eine außerordentliche und fristlose Kündigung nicht rechtfertigen, darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mit einer solchen Kündigung bedrohen.
Erich Nagl – Was tun?
Im Gastgewerbe gilt wie in jeder anderen Branche auch ein altbekanntes Motto: Erst denken, dann handeln. Der Aufhebungsvertrag kann durchaus eine gute Idee sein. Letztlich entscheidet – wie so oft – der Einzelfall. Hat der Arbeitnehmer bereits eine Anschlussbeschäftigung gefunden, ist der Aufhebungsvertrag häufig ein taugliches Mittel, um das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden. Dies gilt insbesondere, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Gutes gewesen ist und das Ende des gemeinsamen Weges auch nur ein Vorläufiges sein könnte. Denn zwar hat der krisensichere Ruf unserer Branche in den Corona-Jahren gelitten, doch prinzipiell gilt nach wie vor: Das Gastgewerbe ist ein Jahrtausende alter, sicherer und begeisternder Beruf. Wozu also Türen dauerhaft schließen, die man aus guten Gründen offenhalten kann? In anders gelagerten Fällen muss hingegen genau geschaut werden, dass die Vorteile eines einvernehmlich zustande gekommenen Aufhebungsvertrages die Nachteile überwiegen.