Die Wahl zwischen Pest und Cholera
Was tun, wenn sich ein Mitarbeiter nicht impfen lassen will?
Nach einem holprigen Start hat das Impfprogramm gegen das Coronavirus Fahrt aufgenommen. Ein beträchtlicher Teil der Deutschen wurde mindestens einmal geimpft. Eine nicht zu unterschätzende Zahl von Menschen verweigert sich der Corona-Impfung jedoch komplett. Wie sollen Arbeitgeber, besonders in kontaktintensiven Branchen wie Hotellerie und Gastronomie, mit Angestellten umgehen, die die Impfung ablehnen und welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es? Diese Frage klärt Dr. Uwe P. Schlegel in der aktuellen Ausgabe von „Alles was Recht ist“.
In diesen Tagen beherrscht das Thema Impfung viele Diskussionen um das Coronavirus. Gott sei Dank! Noch vor einem Jahr hätte kaum jemand darauf gewettet, dass innerhalb eines rekordverdächtigen Zeitraums nicht nur ein Vakzin, sondern gleich mehrere Impfstoffe zur Verfügung stehen, die – so sieht es derzeit aus – das Virus erfolgreich in Schach halten. Bedauerlich ist nur, dass es Menschen gibt, die sich aus unterschiedlichen Gründen einer Impfung verweigern oder das zumindest aktuell ankündigen. Lassen wir an dieser Stelle aberwitzige Begründungen wie etwa die Sorge vor implantierten Mikrochips außen vor, bleiben Argumente, die zwar ebenfalls einem Faktencheck nicht standhalten, dennoch aber dazu führen, dass die Impfbereitschaft aktuell keinesfalls bei 100% liegt. Was tun, wenn sich ausgerechnet Ihr Mitarbeiter oder gleich mehrere dem kleine Pieks verweigern? Dabei wollen wir nicht die medizinische, sondern die rechtliche, genauer gesagt die arbeitsrechtliche Seite beleuchten.
Im ersten Schritt bleibt festzuhalten, dass es aktuell keine Impflicht gibt. Niemand wird gezwungen, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Das ist gesicherte Rechtslage. Und dennoch erledigt sich das Problem damit nicht. Denn nach heutigem Stand der Dinge wird sich derjenige, der sich nicht impfen lässt, unweigerlich das Virus einfangen. Damit wird er zur potenziellen Gefahr für alle nicht ausreichend geschützten Menschen in seiner näheren Umgebung. Das mag für „Normalbürger“ hinnehmbar sein, für das Personal im Bereich Hotellerie und Gastronomie sieht das aber regelmäßig anders aus. Da treffen dann in vielen Fällen nicht geimpfte Menschen auf Menschen, die – aus welchen Gründen auch immer – keinen ausreichenden Schutz vor dem Virus besitzen. Was heißt das arbeitsrechtlich?
Damit kommen wir zum zweiten Schritt, nämlich dem eines mittelbaren Zwangs zur Impfung. So die nicht geimpften Mitarbeiter – etwa im Servicebereich – ein nennenswertes potenzielles Infektionsrisiko für ihre Gäste bedeuten, kann dies zur Arbeitsunfähigkeit der betreffenden Mitarbeiter führen. Und zwar zu einer Arbeitsunfähigkeit im weiteren Sinne. Der Arbeitsrechtler formuliert: Der Arbeitnehmer ist dem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet, seine Arbeitsleistung anzubieten, am rechten Ort, zur rechten Zeit und auf rechte Art und Weise. Letzteres ist der entscheidende Punkt. Ein Mitarbeiter, der eine beachtliche Gesundheitsgefahr für andere Menschen bedeutet, bietet – solange er nicht über einen ausreichenden Impfschutz verfügt – seine Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß an. Er kann es unter den geschilderten Umständen gar nicht. Damit wird der Arbeitnehmer – ohne krank zu sein – arbeitsunfähig. So haben das übrigens Arbeitsgerichte bereits für einen Arbeitnehmer entschieden, der nicht bereit war, eine Gesichtsmaske zu tragen.
Damit kommen wir zum dritten und letzten Schritt. Wenn die ungeimpfte Servicekraft arbeitsunfähig ist, darf sie wahrscheinlich nicht (mehr) arbeiten. Jedenfalls solange nicht, wie sie sich die Sache mit dem Impfen nicht doch noch einmal anders überlegt. Und zu vergüten ist sie konsequenterweise ebenfalls nicht. Denn arbeitsrechtlich gilt: ohne Arbeit, kein Lohn. Stütze vom Staat? Auch Fehlanzeige, denn die selbst verschuldete Arbeitsunfähigkeit dürfte jeder staatliche Hilfestellung im Wege stehen.
P.S. Wenn es ganz schlecht für unsere Servicekraft läuft, könnte ihr – je nach Fall – sogar die Kündigung drohen, selbst in einem größeren Betrieb. Der Arbeitsrechtler formuliert: Eine sozial gerechtfertigte Kündigung aus personenbedingten Gründen. Das ist dann für den Chef bzw. die Chefin die Wahl zwischen Pest oder Cholera: Kein Mitarbeiter mehr, weil gekündigt, oder zwar ein Mitarbeiter, der aber im ungeimpften Zustand unter den geschilderten Umständen arbeitsunfähig ist, also ebenfalls nicht zur Verfügung steht.
Erich Nagl: Arbeitsunfähigkeit vermeiden!
Von einer Arbeitsunfähigkeit wegen mangelndem Impfschutz hat niemand etwas – weder Sie noch Ihre Mitarbeiter. Suchen Sie deshalb das Gespräch mit Ihren Angestellten. Welche Gründe und Ängste gibt es für die Impfverweigerung? Im besten Fall überwiegen die Argumente für eine Impfung. Kommen Sie jedoch nicht auf einen grünen Zweig, gilt es, rechtliche Mittel zu prüfen. Der Schutz Ihrer Angestellten und Gäste hat Vorrang.
Weitere Fragen? Antworten finden Sie auch unter https://www.etl-rechtsanwaelte.de/aktuelles/fragen-und-antworten-zur-testpflicht-in-unternehmen-und-betrieben