„Gäste sind zunehmend preissensibel“

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„Gäste sind zunehmend preissensibel“

Herr Willa, inwieweit sollten Hoteliers ihr Pricing angesichts der im Zuge der Corona-Krise dramatisch veränderten Buchungslage anpassen?

Vor einer Woche wurde eine Studie publiziert, die ein verändertes Buchungsverhalten der Gäste während der Corona-Krise herausgefunden hat. Zu Beginn der Krise war es das Vertrauen in bekannte Marken, während jetzt eher günstige Preise über die Buchung entscheiden. Dies ist natürlich nur ein Gesamtüberblick, denn es wird immer Gäste geben, die Qualität und Lage des Hotels in den Vordergrund stellen und dafür auch bereit sind, einen höheren Preis zu bezahlen. Da das ökonomische Umfeld aber weiterhin eher instabil ist und viele Menschen um ihren Job und ihre Zukunft bangen, hatten wir schon vor Monaten darauf hingewiesen, dass sich das Buchungsverhalten der Gäste in Richtung steigender Preissensibilität verändern wird. Als Konsequenz daraus ergibt sich, dass es zunehmend wichtiger wird, marktkonforme und auf die Qualität des Hauses angepasste Preise anzubieten. Besonders schwierig wird es dabei für eine längere Zeit für Hotels, die schon jetzt eine sehr niedrige Bewertung haben, sei es aufgrund des Standorts, der Ausstattung, eines unterdurchschnittlichen Services oder mangelhafter Umsetzung von Hygienevorschriften. Diese Hotels haben keine andere Option als mit stark reduzierten Preisen zu arbeiten. Hier rächt sich ein nachlässiges Management nun auf fatale Weise. Den anderen Hotels ist nur zu raten, die Marktentwicklungen und die Konkurrenz permanent im Auge zu behalten und, wenn nötig, die Preise auf kompetitiven Märkten stündlich anzupassen. Und nochmals: Mit kompetitivem Preis ist kein generelles Unterbieten gemeint, es geht vielmehr um situativ angepasste Preise.

Wie müssen Hoteliers ihr Revenue Management angesichts der sicher auch noch 2021 anhaltenden Auswirkungen der Krise aufstellen? 

In der jetzigen Situation ist es entscheidend, nicht nur kurzfristig zu denken, sondern die Hotelpreise auch mittel- und langfristig gut einzustellen und den Pickup auch für diese Zeitperioden im Auge zu behalten. Dabei ist es wichtig, die Buchungsströme zu kennen und umgehend darauf zu reagieren. Wir stellen oft fest, dass sich viele Hotels hauptsächlich auf die Buchungszahlen der kommenden ein bis zwei Wochen konzentrieren und über diesen Zeitraum hinausgehende Buchungen weitgehend außer Acht lassen. Das ist für den betrieblichen Erfolg sehr gefährlich, denn kurz vor Anreise herrscht der größte Preiskampf (außer bei Top-Events). Wenn ein Hotel mit schwacher Auslastung in diese Phase einsteigt, dann hat der Betrieb im Kampf um die Auslastung eigentlich schon verloren. Daher sind die langfristige Preisgestaltung und deren Controlling so wichtig. Überwachen Sie also auch die langfristigen Buchungseingänge. Wenn keine Buchungen getätigt werden, dann stimmt etwas mit der Preisgestaltung nicht, denn es gibt fast immer eine Nachfrage für alle Zeitfenster.

Seit vielen Jahren schon versuchen Hotels, ihre Abhängigkeit von den großen Buchungsportalen zu verringern und den Direktvertrieb zu forcieren. Aktuelle Zahlen zeigen aber: Die Macht der Portale wächst weiter. Gibt es einen Ausweg und wenn ja, welchen?

Hotels und Buchungsportale befinden sich vielfach in einer Art Hassliebe, wobei ich auch sehr viele Hoteliers kenne, die den OTA’s sehr dankbar sind, dass diese ihnen die globale Reichweite zu möglichen Gästen gewährleisten. Man denke an jene touristischen Hotspots wie Paris, Wien, Venedig etc., die auf der Hotspot-Liste internationaler Gäste stehen und von diesen meistens auch nur einmal im Leben besucht werden. Um diese Gästeklientel auf sich aufmerksam zu machen, hat ein Hotelier kaum eine andere Chance, als über die OTA’s zu gehen. Wir stellen aber auch fest, dass eine gute beziehungsweise steigende Erfolgsquote bei OTA’s immer auch mit einem Anstieg der Buchungen auf der Webseite des Hotels und den Direktbuchungen einhergeht. Darum ist es so zentral, eine intelligente und abgestimmte Preispolitik von OTA’s, eigener Webseite und dem Direktverkauf zu installieren. Und bei wiederkehrenden Gästen gibt es sehr viele Möglichkeiten, diese Gäste in Direktbuchende zu verwandeln. Es ist eine der Hauptaufgaben des Hotels, diese Kommunikation während und nach dem Aufenthalt des Gastes aufzunehmen. Hier gibt es bei vielen Hotels großen Nachholbedarf.

Inwieweit spielt die Entwicklung Künstlicher Intelligenz eine Rolle, wenn es um modernes Revenue Management geht?

Man kann davon ausgehen, dass es in einigen Jahren interessante Revenue Management Systeme gibt, die Hoteliers bei der optimalen Preisfindung unterstützen. Die Frage wird sein, wie schnell diese Systeme dann auf externe Gegebenheiten reagieren und dabei aber gleichzeitig die Vorgaben der einzelnen Hotels beachten oder an mögliche Strategieänderungen angepasst werden können. Momentan ist es so, dass die Kombination aus Spezialisten, modernsten Computerprogrammen und einer jahrzehntelangen Erfahrung immer noch die besten Ergebnisse erbringt. Dazu kommt natürlich, dass gerade das Hotelgeschäft von gegenseitigem Vertrauen lebt. Die Bedeutung der menschlichen Interaktionen darf dabei nicht unterschätzt werden. Und so stellt sich die Frage, ob sich ein Hotelier auf Gedeih und Verderb einem maschinellen Programm ausliefern will, dass seine Möglichkeit der Einflussnahme minimiert oder sogar vollkommen ausschließt. Diese Frage kann nur die zukünftige Entwicklung selbst beantworten.

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