Herr Kannenberg, mehr Direktvertrieb ist das Ziel der Hoteliers seit vielen Jahren. Doch in der Regel jubeln stets die großen Buchungsportale, wenn es um die Entwicklung von Marktanteilen in der Distribution geht. Woran liegt das?
Im Direktvertrieb ist sicher noch mehr drin, als die Hoteliers derzeit herausholen. Ich sehe die Betriebe aber auf einem guten Weg. Unsere über 5.300 Hotelkunden haben die Quote direkter Buchungen im Vergleich mit der Zeit vor der Pandemie von 20 auf 25 Prozent steigern können. Gäste suchen inzwischen vermehrt nach Authentizität und guten Stories, was ihnen ein Buchungsportal wie etwa Booking.com nur bedingt vermitteln kann. An dieser Stelle haben besonders Privathotels einen echten Wettbewerbsvorteil.
Ist es nicht so, dass die Portale Geschäft mittlerweile zurückerobern, nach dem das in der Pandemie vor allem fehlende internationale Geschäft ein Comeback erlebt?
Das sehe ich nicht. Die Direktbuchungen unserer Kunden legen unabhängig vom anziehenden internationalen Business zu.
Was können Sie als Unternehmen dafür tun, damit sich der Trend weiter zugunsten des Direktvertriebs entwickelt?
Wir sorgen dafür, dass die Hoteliers Raten und Verfügbarkeiten schnell und unkompliziert pflegen, Pläne machen, Strategien umsetzen sowie Content in Text und Bild professionell aufbereiten können, damit die Corporate Identity des jeweiligen Hauses bestmöglich zum Ausdruck kommt. Außerdem stehen wir den Betrieben beratend beziehungsweise moderierend zur Seite.
Sind Ihre Kunden im Direktvertrieb besser aufgestellt als der Rest des Marktes?
Wer sich ein Auto kaufen kann, muss noch lange nicht fahren können. Den Führerschein muss man so oder so machen. Wir sind das Auto, eventuell das schnellere, elegantere. Aber um den Führerschein, die Hausaufgaben kommen die Hoteliers nicht herum. Wir bieten den Hoteliers mit unseren unterschiedlichen Service-Leveln individuelle Hilfe an und geben ihnen einen Überblick darüber, um was sie sich vorrangig kümmern müssen. Und das funktioniert.
Wie kann es sein, dass die Hälfte der Privathoteliers in Deutschland nach wie vor ohne eigene Buchungsmaschine arbeitet?
Viele Betriebe kaufen teure Systeme, vor allem PMS-Systeme, die Direktbuchung und IBE-Funktionen versprechen. Aber die Integration funktioniert oft nicht. Dazu kommt: Die Bedeutung der eigenen Website ist den meisten Unternehmen der Branche noch immer nicht beziehungsweise nicht im ausreichenden Maß bewusst. Dabei ist die eigene Website das stärkste Verkaufs-Tool, das sie haben.
Sie bieten den Hoteliers eine Payment-Lösung an und versprechen unter anderem mehr Direktvertrieb. Wie funktioniert das?
Mit unserer Buchungsmaschine können Hotels ihren Gästen verschiedene Zahlungsmöglichkeiten anbieten, mit denen sie ihre Übernachtung direkt bei der Buchung bezahlen können – via PayPal beispielsweise oder per Kreditkarte. Das heißt: Wir machen eine automatisierte Abbuchung möglich. Gäste buchen eine günstigere, nicht stornierbare Rate und die Abbuchung erfolgt noch innerhalb des Buchungsvorgangs. Die Zahlung wird direkt an das System übermittelt. Immer mehr Hotels nutzen das. Unterm Strich stehen für den Hotelier weniger No-shows, mehr Liquidität und, weil auch die Gäste das sehr zu schätzen wissen, mehr direkte Buchungen.
Nicht nur im Direktvertrieb gibt es noch erhebliches Potenzial, auch im Pricing. Verkauft sich die Hotellerie in Deutschland unter Wert?
Notgedrungen. Hotelgäste in Deutschland sind preissensibler als in vielen anderen Ländern Europas. Nehmen wir das Beispiel Österreich – dort genießt das Gastgewerbe ein viel höheres Ansehen. Die Menschen sind bereit, für die Leistungen von Hoteliers und Gastronomen mehr Geld auszugeben als bei uns. In den meisten Ländern wird zuerst auf die Leistung geschaut, erst dann auf den Preis. In Deutschland ist es in der Regel andersherum. Hier geht es um die Frage: Wie bekomme ich für einen bestimmten Preis die maximale Leistung? Das macht es den Betrieben der Branche natürlich enorm schwer, angemessene Preise für ihre Leistungen durchzusetzen. Ein wenig mehr positives Marketing – auch durch unsere Verbände – täte der Branche gut.
Künstliche Intelligenz ist in aller Munde – weltweit und über alle Industrien hinweg. Auch in der Hotellerie wird darüber viel geredet und geschrieben. Müsste die Branche aber nicht erst mal ihre digitalen Hausaufgaben machen, bevor sie anfängt, sich über Anwendungen wie ChatGPT Gedanken zu machen?
Viel wird darüber diskutiert, was wir morgen machen können. Ich vermisse Antworten auf die Frage: Was können wir heute tun? Wie können wir vorhandene Systeme gewinnbringend nutzen? Ich möchte aber auch sagen: Der Prozess der Digitalisierung ist auch in der Hotellerie im vollen Gang. Und die Künstliche Intelligenz ist ein Teil davon, wird wichtiger. Aber eben großenteils noch nicht unmittelbar. Ich bin dafür, den Druck rauszunehmen und appelliere an die Tech-Branche, ihre Systeme für die Prozesse auch in den kleinen und mittelständischen Unternehmen greifbarer zu machen. Digitalisierung und Automatisierung ist wichtig für die Gesamtheit der Betriebe in Hotellerie & Gastronomie und die Ansprache darf nicht immer nur an dieselben „Top 200“ gerichtet sein.
Tobias Kannenberg
ist seit Oktober 2022 Head of Marketing & PR für DIRS21. Zuvor wirkte der gelernte Hotelfachmann als Leiter Elektronischer Vertrieb für die Kooperation Ringhotels e.V. Vor seiner Zeit bei Ringhotels besetzte er leitende Positionen für Marken wie etwa Rilano, Pullman und Sofitel sowie für das Platzl Hotel München. Seine Ausbildung absolvierte Kannenberg im Bayerischen Hof in Lindau.
DIRS 21
ist ein webbasiertes Buchungs- und Channel-Management-System. Die mehr als 5.300 Kunden sind meist mittelständische und inhabergeführte Hotels sowie Kooperationen und kleine Ketten. DIRS 21 ist eigenem Bekunden zufolge Marktführer im Channel-Management in der DACH-Region. Rund 90 Mitarbeitende sind an den Standorten Leipzig und Wernau tätig. Das Unternehmen bietet seine digitalen Dienste seit gut 20 Jahren an. dirs21.de