“Die traditionelle Rezeption wird tendenziell verschwinden“

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“Die traditionelle Rezeption wird tendenziell verschwinden“

Frau Bleifuss, es gibt auch in der Hotellerie inzwischen zahlreiche Self-Services. Welche davon kommen bei Gästen wirklich an?

Ansprüche und Verhalten der Gäste sind im Wandel – nicht zuletzt durch die rasant voranschreitende Digitalisierung, die sich längst durch unser gesamtes Leben zieht. Dazu kommt ein erheblicher Personalmangel. Mit dem Ergebnis, dass der Bedarf an Self-Service-Angeboten spürbar gestiegen ist. Sie bieten echten Mehrwert, zum Beispiel kürzere Wartezeiten an der Rezeption. Das bezieht sich unter anderem auf den Prozess der Buchung über die hoteleigene Website und deren Verwaltung, den Check-in- sowie den Check-out-Prozess sowie das Bestellen und Bezahlen am Tisch im Hotelrestaurant. Für einen großen Teil der Gäste sind solche Dienste mittlerweile selbstverständlich. Ihre Ungeduld ist gestiegen. Unterbrechungen oder Unannehmlichkeiten werden immer weniger toleriert.

Für welche Gäste kommen die Self-Service-Angebote vor allem in Frage?

Das sind mehr, als sich möglicherweise vermuten lässt. Schließlich kennen die meisten Menschen solche oder ähnliche Anwendungen bereits aus anderen Lebensbereichen – etwa, wenn sie eine Flugreise unternehmen. Nehmen wir das Beispiel Online-Check-in: Wir dürfen nicht dem Irrglauben unterliegen, das sei ein Privileg der Digital Natives bzw. jüngerer Gäste. Unsere Daten zeigen uns: Mehr als die Hälfte der Self-Check-in-User sind älter als 50 Jahre.

Wieviel Automatisierung ist Gästen zumutbar bzw. wieviel menschlicher Service wird noch gebraucht?

Systeme übernehmen das Automatisieren von Prozessen, wiederkehrende Abläufe sind bei Maschinen viel besser aufgehoben als bei Mitarbeitern. Einen herzlichen Empfang, Emotionen, das Interpretieren und entsprechende Reagieren auf situativ geprägtes Verhalten des Gastes – all dies können nur Menschen. Und das wird sich bei aller Digitalisierung nicht ändern.

KI ist in aller Munde. Welche Rolle könnte das Thema für die Hotellerie spielen?

Im Revenue Management, bei der automatisierten Gästekommunikation via Chatbot und der Hotelbewertung kommt die Künstliche Intelligenz ja bereits gewinnbringend zum Einsatz. Noch spannender wird es, wenn KI einfließt in die individuelle Gestaltung von Angeboten auf der Basis von Gästeprofilen bzw. -präferenzen. Das bedingt allerdings, dass ein Hotel seine Gästedaten strukturiert erfasst. Denn KI baut auf vorhandenen Informationen auf, kann immer nur, was aus vorliegenden Daten zu lesen ist und nicht interpretieren wie ein Mensch, besitzt unterstützende Funktion.

Wie sind die Voraussetzungen für die Branche?

Im Grunde sehr gut. Die Hotellerie verfügt über enorme Datenmengen. Unternehmen aus anderen Branchen sind regelrecht neidisch darauf. Keiner weiß so viel über seine Kunden, wie die Hoteliers. Das bietet der KI ideale Ansatzpunkte. Dabei ist es wichtig, die Privatsphäre der Gäste durch einen verantwortungsvollen Umgang mit diesen Daten zu schützen.

Wird der Faktor Mensch für den Service im People Business Hotel künftig eine abnehmende Bedeutung haben und was bedeutet das für die Identität des Gewerbes?

Das kommt auf das Konzept eines Hotels an. Sprechen wir von einem Haus, das auf einen weitgehend automatisierten Betrieb setzt? Von einer Unterkunft, in der Systeme einwandfrei laufen und reibungslos ineinandergreifen? Oder von einem Hotel, das den menschlichen Service auch in Zukunft bewusst in den Fokus des Geschehens stellen möchte? Unabhängig davon ist offensichtlich: Es werden, getrieben durch die technologische Entwicklung, neue Berufsfelder entstehen. IT und E-Commerce nehmen in Zukunft erheblich mehr Raum ein, als das bisher der Fall war.

Bekommt die Hotellerie ein neues Gesicht?

Möglich. Fakt ist: Kein Segment bleibt von der technologischen Entwicklung unbeeinflusst. Auch Gäste eines Luxushotels schätzen es, via Smartphone ein- oder auschecken zu können und in Folge dessen nicht mehr anstehen zu müssen. Die traditionelle Rezeption wird in einer modern gestalteten Lobby tendenziell verschwinden.

Wie kann Guestline die Betriebe dabei unterstützen, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen?

Wir analysieren aufgrund der vorliegenden Gegebenheiten zunächst einmal eingehend, welche Systeme und Anwendungen zum jeweiligen Hotel passen und können dem betreffenden Betrieb dann dank unserer Guest-Experience-Plattform aufzeigen, welche Möglichkeiten er hat. Wichtig zu wissen ist dabei, dass rund 80 Prozent unserer Mitarbeiter ursprünglich aus der Hotellerie kommen. Wir wissen also, von was unsere Kunden sprechen.

Eva-Maria Bleifuss …

… ist  Regional Director DACH für Guestline und leitet bei dem Cloud-Hospitality-Lösungsanbieter das Geschäft im deutschsprachigen Raum. Zuvor besetzte Sie leitende Positionen im Vertrieb führender Technologie- und Hospitality-Unternehmen, darunter Sabre, TrustYou und h2c.

Guestline

… bietet cloudbasierte Hospitality-Softwarelösungen für das Property Management, das Gäste-Erlebnis und das Buchungsmanagement. Das Produktportfolio umfasst unter anderem  PMS, CRS, C&B, Channel Manager, IBE und GuestPay. Zusätzlich integriert die Property Management Software via API 500 Drittanbieter-Lösungen. Guestline ist seit über 30 Jahren am Markt, hat Niederlassungen in Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden, Irland sowie Thailand und unterstützt über 2.900 Hotels in 23 Ländern. Seit 2023 ist das Unternehmen Teil der Access-Gruppe.