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Probearbeit, Probezeit oder Einarbeiten?

Vorsicht bei der Wortwahl!

Bei der rechtlichen Einordnung eines Sachverhalts kommt es häufig auf die richtige Wortwahl an. So finden sich in der Überschrift unseres kurzen Beitrags gleich drei ähnlich klingende Worte, die aber rechtlich gänzlich unterschiedlich einzuordnen sind. Wir wollen diesen Begriffen einmal auf den Grund gehen und dabei auf juristische Fallstricke aufmerksam machen, die es unbedingt zu vermeiden gilt.

Bitte keine Probearbeit!
Das Wort Probearbeit klingt harmlos. Und der Arbeitgeber, der einem Arbeitnehmer die Gelegenheit geben möchte, den Betrieb im Rahmen einer Probearbeit näher kennenzulernen, denkt sich wahrscheinlich nichts Böses dabei, wenn er den Arbeitnehmer einen oder gar mehrere Tage zum Zwecke des wechselseitigen Kennenlernens arbeiten lässt. Aber aufgepasst! Probearbeit entspricht einem regelmäßigen Arbeitsverhältnis und ein Arbeitsverhältnis bedeutet Tarif- bzw. Mindestlohn und natürlich meist Sofortmeldung. Das ist zwar seitens des Arbeitgebers nicht gewollt und wird vom Arbeitnehmer häufig auch nicht erwartet. Denn regelmäßig ist sich beim Probearbeiten keiner der beiden seiner Rolle als Arbeitgeber bzw. Arbeitnehmer bewusst. Darauf aber kommt es nicht an.

Richtig schlimm wird es zudem in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer juristisch besser ausgebildet ist als der ihn beschäftigende Betriebsinhaber bzw. Verantwortliche, denn dann beginnt mitunter ein grausames Spiel. Nachdem der Bewerber im Rahmen der Probearbeit eindrucksvoll gezeigt hat, dass er keine ausreichenden Qualitäten für den angestrebten Job besitzt und deshalb ohne schriftlichen Arbeitsvertrag nach Hause geschickt wird, verweist der Bewerber auf die Existenz eines bereits mündlich zustande gekommenen Arbeitsvertrages. Und das zu Recht! Denn durch die verabredete Probearbeit wurde – wie bereits erwähnt – ein Arbeitsverhältnis begründet. Zwar nur mündlich und nicht schriftlich, aber das ist rechtlich irrelevant. Wenn nun der von der bisherigen Arbeitsleistung des Jobanwärters enttäuschte Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer wieder loswerden möchte, muss er das bestehende Arbeitsverhältnis kündigen. Das geht in aller Regel nur über eine ordentliche, das heißt fristgemäße Kündigung. Und da eine Probezeit nicht verabredet war, beträgt die Kündigungsfrist, jedenfalls nach dem Gesetz, vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Monats. Findet die Probearbeit also beispielsweise am 20. und 21. eines Monats statt, bleibt nur eine Kündigung zum Ende des darauffolgenden Monats. Und wegen des einen vollen Monats, den das Arbeitsverhältnis bestanden hat, steht dem Arbeitnehmer auch noch ein Urlaubsanspruch von 1/12 des Jahresurlaubs zu!

Alles keine guten Nachrichten für unseren Arbeitgeber, der gar kein Arbeitgeber sein wollte. Lediglich dann, wenn sich der Bewerber trotz Arbeitspflicht nicht mehr beim Arbeitgeber meldet, kommt letzterer um die ihn ansonsten treffende Pflicht zur Vergütung des Arbeitnehmers herum. Was also tun? Was hat der Arbeitgeber falsch gemacht bzw. wie hätte er es besser machen können?

Einfühlen statt Probearbeit
Wer einen Bewerber darauf überprüfen möchte, ob er zum potenziellen Arbeitgeber passt und umgekehrt, der macht etwas, das sich vielleicht unanständig anhört, aber ganz und gar rechtlich einwandfrei ist. Das wechselseitige Kennenlernen als Vorstufe zu einem etwaig späteren Arbeitsverhältnis nennt der Jurist, genauer der Arbeitsrechtler, ein Einfühlungsverhältnis. Die Aufgabe ist es also, ein solches Einfühlungsverhältnis zu verabreden. Drei Vorteile eines solchen Vorgehens: Kein Arbeitsverhältnis, kein Mindestlohn, keine Sofortmeldung. Und wenn es nicht passt, dann schickt man den „Einfühler“ einfach nach Hause.

Wo findet man eine Vereinbarung über ein Einfühlungsverhältnis? Ganz einfach! Google aufrufen und dort drei Worte eingeben: „Einfühlungsverhältnis – Muster – ETL“. In der Regel auf Position 1 zeigt Google einen sog. doc-Link an. Klickt man auf diesen, öffnet sich ein Word-Dokument, das sich in wenigen Minuten auf den konkreten Fall hin anpassen lässt. Motto: Problem erkannt, Gefahr gebannt. Aber aufgepasst! Einfühlen heißt kennenlernen und das geht nicht, wenn der Bewerber in einen Dienstplan eingetragen wird und reguläre Arbeit leisten muss. Denn dann haben wir es wieder mit einem Arbeitsverhältnis zu tun und das ist – wie gezeigt – regelmäßig nicht gewollt.

Jetzt zur Probezeit
Die Probezeit wird in ihrer rechtlichen Bedeutung regelmäßig kolossal überschätzt. Der einzige nennenswerte Vorteil einer Probezeit besteht in der während der Probezeit bestehenden Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis innerhalb einer recht kurzen Frist beenden zu können. Nach dem Gesetz beträgt die Kündigungsfrist 14 Tage. Die Kündigung kann zum Ende eines jeden Tages ausgesprochen werden. Im Vergleich dazu beträgt die Kündigungsfrist für den Fall, dass keine Probezeit vereinbart wurde, wie bereits oben ausgeführt, vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Monats. Also besteht kein großer Unterschied, aber immerhin eine Differenz von einigen Tagen. Und was ist mit dem Kündigungsschutz? Mit dem Kündigungsschutz hat die Probezeit rein gar nichts zu tun! Das weiß jeder, der einmal versucht hat, einer schwanger gewordenen Mitarbeiterin in der Probezeit zu kündigen. Oder einer Mitarbeiterin, die im bereits schwangeren Zustand ihren ersten Arbeitstag hatte. Einer Schwangeren kann man grundsätzlich nicht kündigen, Probezeit hin, Probezeit her.

Zum Schluss: Das Einarbeiten
Zum Schluss noch ein paar wenige Worte zum Einarbeiten eines neuen Arbeitnehmers. Das Einarbeiten ist selbstverständlich nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses möglich und rechtfertigt unter keinen Umständen eine Vergütung unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns bzw. unterhalb eines etwaig anzunehmenden Tarifentgelts. Dass die Einarbeitung den Arbeitgeber Zeit und Kraft kostet, ist klar. Ändert aber nichts am Gesagten.

Erich Nagl – Aufklären, einfühlen, Ärger vermeiden
Neue, motivierte Kollegen sind in der Gastronomie immer willkommen und besonders in der derzeitigen Lage auch dringend nötig. Überspitzt gesagt, wird in der Branche derzeit jeder Bewerber eingestellt, der die charakterlichen und körperlichen Mindestbedingungen erfüllt. Ob er diese aber erfüllt, wird gern in einer vermeintlich unverbindlichen Vereinbarung zur Probeschicht überprüft – sei diese auch noch so kurz. Die Vorteile liegen auf der Hand: In einem Beruf, der so eng am Menschen ist wie das Gastgewerbe und in dem die Mitarbeiter mit ihrem Auftreten so unmittelbar für das Image und den nachhaltigen Erfolg des Betriebes verantwortlich sind, schaut man auch in Zeiten wie diesen lieber zwei Mal hin. Geht es doch auch um die Fragen, ob der/die Neue auch in das Team passt und wie die Kollegen auf ihn oder sie reagieren. Doch gerade weil Gastronomen in der momentanen Situation keine Ressourcen – seien es Geld, Zeit oder Nerven – entbehren können, gilt es umso mehr, sich mit den rechtlichen Grundlagen zur Probezeit en Detail auseinanderzusetzen. Ein unverbindliches gegenseitiges „Beschnuppern“ im Rahmen eines Einfühlungsverhältnisses ist für den Zweck eines erweiterten Bewerbungsgesprächs nach wie vor der „Goldstandard“.