Der Autor Jens Rosenbaum ist Herausgeber, Journalist und Hoteltester.
Sie sind wieder da, die Gäste. Die Zahl an Übernachtungen lag im August 2024 sogar über dem Vor-Corona-Niveau. Ein Plus gibt es mancherorts aber leider auch bei den vorhandenen Kapazitäten, womit das Ringen um die Gäste ebenso seine gewohnte Fortsetzung findet. Kundengewinnung und -bindung stehen damit also wieder auf dem Plan, wie alle anderen Herausforderungen auch und damit die Frage: Was will der Gast? Folgt man der Diskussion hierzu in den Fachmedien und auf Podien, fängt das Problem bei der Beantwortung dieser Frage damit an, dass es den „Gast“ ja nicht gibt. Als statistische Größe taugt er nur bedingt und richtig fassen lässt er sich nur begrenzt, da er ständig im Wandel ist.
Was wollen die Gäste?
Der Versuch, ihn über immer diversifiziertere Angebote einzufangen ist eine Möglichkeit, aber eine mit vielen Risiken, denn je mehr man diversifiziert, desto eher gehen Theorie und Praxis auseinander. Kein Profil zu haben fördert die Austauschbarkeit. Und nur über den Preis zu gehen ist ebenfalls keine Strategie, die langfristig funktioniert, denn billiger geht immer. Hotelkonzerne neigen daher dazu, ob durch Zukauf oder Selbstgründung, ihr Portfolio auszuweiten, sich breiter aufzustellen, um darüber möglichst viele Zielgruppen abzudecken. Aber das kann eben nicht jeder finanziell stemmen – vor allem die Misserfolge. Denn nicht alles, was Marketing & Sales sich einfallen lassen, wird von den Gästen auch gekauft. Nur auf seinen guten Ruf, die bereits bekannten Leistungen und die Tradition seines Hauses zu setzen, ist auf Dauer auch zu wenig, wenn es Wettbewerb gibt. Es gibt Hotels mit phantastischen Leistungs- und Serviceangeboten, aber der Wettbewerb schläft nicht und Gäste neigen dazu, das Gewohnte irgendwann auch gewöhnlich zu finden. Also, was tun, um mit Neuem zu glänzen, sofern hierfür Bedarf gesehen wird?
Den technologischen Anschluss hat die Hotellerie bereits verloren
Seine Gäste mit technischen Neuerungen zu überraschen und zu begeistern, wie dies Anfang des letzten Jahrhunderts noch mit Wasserspülung bei der Toilette sowie einer Badewanne mit fließend warmem und kaltem Wasser auf dem Zimmer möglich war, war einmal. Hier hat die Hotellerie den Anschluss an den technologischen Fortschritt bereits verloren. Der technische Wandel hat sich enorm beschleunigt und überfordert die Anpassungsfähigkeit der Hotellerie. Denn mit Investitionszyklen von fünf bis 10 Jahren – meist eher länger – lässt sich der technische Rückstand gegenüber den Gästen einfach nicht aufholen. Was immer Hotel heute verbaut, der Gast hatte es schon vorher. Das bedeutet nicht, sich dem technischen Fortschritt zu verschließen. Aber es wird auf ewig eher ein Hinterherlaufen, denn ein Vorangehen sein. Design allein ist auch kein Allheilmittel.
Analog wird immer Zukunft haben
Und gewarnt sei davor, in der Digitalisierung den Heilsbringer zu sehen. Dort wird viel investiert, dies aber wohl hoffentlich eher aus Kostengründen und zur Effizienzsteigerung. Denn mit dem digitalen Hotel 4.0 fortfolgend wird es keine Begeisterungsstürme bei den Gästen geben. Digitalisierung ist immer nur ein Hilfsmittel. Der Gast bleibt analog! Wie also seine Gäste und jene, die es noch werden sollen, mit Leistungen locken und positiv überraschen? Und, erneut gefragt, was will der Gast überhaupt? In Teilen ist er sicherlich eine Blackbox, wo mit den Generationen auch der Versuch, diese inhaltlich über die Buchstaben X, Y und Z abzugrenzen, so langsam das Alphabet ausgeht. Was ist mit den Boomern, die zahlenmäßig hierzulande den Ton angeben? Die große Gefahr besteht darin, sich zu verzetteln. Viel zu investieren, aber am Ende, durch ein unscharfes Profil, die Gäste nicht wie erhofft erreichen und überzeugen zu können. Wie lässt sich aber diese Gefahr reduzieren? In solchen Situationen, wo man nach vorne schaut, und kein Licht sieht, lohnt sich der berühmte Schritt zurück. Denn aus der Distanz reduzieren sich viele Sachverhalte auf den Kern. Auf den Kern dessen, warum es hier überhaupt geht. Also, statt nach Hotellerie 5.0 zu suchen, versuchen wir mal einen Blick zurück auf die „0“ zu werfen.
Wenn die Zukunft im Dunkeln liegt, lohnt ein Blick auf die Basics
Wozu nochmals wurde die Hotellerie denn erfunden, die Herberge für den Reisenden? Genau! Da war doch etwas mit dem Bett für die Nacht. Mag total langweilig klingen, ist es aber nicht, denn schlafen müssen alle. Und so landet das Bett bei jeder Gästeumfrage auch immer ganz oben auf der Prioritätenliste. Es ist der kleinste gemeinsame Nenner der Hotellerie, mit dem sich aber werblich gut 84 % aller Gäste treffsicher erreichen lassen, wie eine häufig zitierte Studie des Gastgewerbe Magazin bescheinigt, die danach fragte, was dem Gast das Wichtigste sei: Das Hotelbett. Und genau hier bietet sich die Möglichkeit, den Gast mal anders abzuholen, auch wenn dabei alter Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen wäre. Zudem wird hier der Vorteil geboten, dafür kaum investieren zu müssen. Denn, auch wenn nicht alles, so doch vieles davon haben die Hotels bereits schon heute. Es müsste nur in eine neue, für die Gäste verständliche Systematik gebracht und dann auch kommuniziert werden, getreu dem Motto „tue Gutes und sprich darüber“. Warum also nicht den Gast bei seinen Grundbedürfnissen packen und ihm diese, ohne viel zu investieren, neu, weil anders verpackt, verkaufen?
Die „Drei Kreise der Schlafgesundheit“
Eine Hilfestellung wären hier die „Drei Kreise der Schlafgesundheit“. Sie helfen, das Leistungsspektrum rund um die Themen Bett und Schlaf zu ordnen, für die Gäste verständlicher zu machen und genau darüber einen neuen Mehrwert zu generieren. Denn schlafen will der Gast auf jeden Fall. Und je besser ihm vermittelt werden kann, genau darauf alles abgestimmt und vorbereitet zu haben, desto eher wird er in der Basisleistung Bett auch eine Zusatzleistung erkennen können – und dies mit dem Wettbewerb vergleichen. Es gilt also, seine Leistungen zu diesem Thema zu veredeln. Die „Drei Kreise der Schlafgesundheit“ basieren auf einer Verdichtung der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Grundlagen für den gesunden Schlaf. Piktogramme schaffen eine vereinfachte Wahrnehmung und die Einteilung in drei Kreise erlaubt eine klare Fokussierung.
Dies sei vorangestellt: Es kommt, gleich ob beim Gast daheim oder im Hotel, in der Praxis selten vor, dass alle Grundlagen optimal erfüllt sind. Aber darum geht es auch nicht, zumal der Gast mit seinen ganz eigenen, individuellen Schlafbedürfnissen und -problemen ja auch noch im Raum steht. Es geht nicht darum, all diese zu lösen und dies sollte auch niemand, der bei Verstand ist, versprechen. Es geht darum zu vermitteln, dass hier ein Hotel ist, welches die Bedürfnisse seiner Gäste im Detail verstanden hat und daher ein Optimum an Unterstützung für eine gute Nacht bieten kann. Und natürlich sollten in der Kommunikation nur jene Punkte angesprochen werden, die vom jeweiligen Hotel auch angeboten werden können, aber das ist meist mehr, als viele vermuten. Ob der Gast das jeweilige Angebot dann auch wirklich nutzt, ist ja dessen Sache.
Der Gast im Mittelpunkt
Im ersten Kreis der Schlafgesundheit steht der Gast selbst mit Primärbedürfnissen, welche alle Einflüsse auf seine Gesundheit und somit seinen Schlaf haben. Und bereits hierfür bieten viele Hotels Angebote, nur müssten diese in einem Kontext zusammengefasst werden. Ob dies entsprechende Speisen sind für die Ernährung, Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung für die Bewegung, Wellness- & Yogaangebote zur Stärkung der Gesundheit bis hin zu tatsächlichen medizinischen Leistungen. Vieles davon gehört bereits heute zum Standardrepertoire der meisten Hotels, nur machen viele zu wenig daraus. Aber all diese Leistungen können ihren Beitrag für eine gute Nacht liefern.
Die Nacht als geschützter Raum
Die Reihe der für die Nachtruhe relevanten Punkte lässt sich nahtlos fortsetzen mit Hinweisen zu besonders gesunder Raumluft, einfacher Temperaturregulierung und hinreichender Verdunkelung sowie besonders ruhiger Zimmer oder Flure. Das mag banal klingen, aber Gäste kämpfen bisweilen genau mit diesen Störfaktoren und Ausschlafen fällt schwer, wenn im Nebenzimmer das Housekeeping bereits um sieben Uhr die Nacht für beendet erklärt. Es braucht nicht viel, um aus diesen Elementen ein Leistungsangebot zu formen, wie es einige bereits heute tun, jedoch meist zu isoliert und nicht hinreichend kommuniziert.
Das Bett für die Individualisierung
Hier könnte das Hotel für kleines Geld aus dem Vollen schöpfen, sofern bei Kissen und Zudecken eine Auswahl besteht. Textilien im Bett zum Beispiel OEKO-TEX und allergiezertifiziert sind sowie aufeinander abgestimmte Matratzen und Unterfederungen zur Verfügung stehen. Besonders komfortable Einstiegshöhe beim Bett, verstellbare Liegeflächen oder beim Aufstehen in der Nacht ein via Bewegungsmelder dezentes Licht am Bett, welches automatisch den Weg leuchtet. Wer will, dem bieten sich hier viele Möglichkeiten, um sich positiv vom Wettbewerb abzugrenzen, wo sich deren Werbung meist schon in der Aussage „Boxspringbett“ erschöpft. Da sei gesagt, dass damit nichts gesagt ist, zumal der Begriff auch nicht geschützt ist. In und für die Praxis zu beliebig, zu austauschbar und qualitativ meist auch schlecht. Damit alleine gewinnt man keine Gäste mehr. Da muss mehr Fleisch an den Knochen! Wer will, kann hier das Bett zu einer wahren Oase des Wohlbefindens machen und dies dann auch verkaufen. Nur wollen muss man.
Es kommt auf die Story an
Es kommt auf die Geschichte an, die es den Gästen zu erzählen gilt. Und da nun in jedem Hotel Betten stehen, sollte doch der Versuch nicht unterlassen werden, diese gute, alte, aber unverzichtbare analoge Leistung mal in einen neuen, größeren Kontext einzubinden, für eine besondere, eine neue, eine gute Geschichte. Hier das Gehör seiner Gäste zu finden ist viel einfacher als bei den meisten anderen Themen. Und sein Interesse daran ist garantiert – denn wer will schlecht schlafen? Vom Prinzip geht es hier um den Ansatz, über eine bereits vorhandene Basisleistung Mehrwerte zu generieren, die es leicht in den Wahrnehmungsraum der Gäste schaffen, um dort, im positiven Sinne, das Kaufverhalten zu beeinflussen. Die Chance darauf, besser zu schlafen, wird immer eine Option sein, die Gäste bevorzugt wählen würden. Und dieses Prinzip fußt auf der Tatsache, dass die Gäste bei ihren Primärbedürfnissen, übrigens alle analog, ausgesprochen transparent sind. Hier wissen wir, was Gäste wollen, und was nicht.
Wer Sorge hat, bei diesem Thema schlafende Hunde zu wecken und seinem eigenen Leistungsangebot zum Thema Bett und Schlaf nicht traut, dem sei geraten, das Fach zu wechseln. Wer aber Bedarf sieht, sich vom Wettbewerb abzuheben oder die vorhandene Distanz zu halten, dem bietet sich hier mit wenig Aufwand eine neue Möglichkeit und dies bei einer bereits vorhandenen Basisleistung.
Na dann, gute Nacht!