Mittelmaß im Luxushotel?

Mittelmaß im Luxushotel?

Dieses Test-Ergebnis dürfte den Ansprüchen der Marke nicht genügen.

Hotel: Steigenberger Icon Grandhotel Handelshof, Leipzig^
Zimmerzahl: 177
Kategorie: ohne offizielle Klassifizierung
Luxus, nach eigener Definition
Eröffnung: 2011
Test: Dezember 2023
Bezahlte Rate: 302,00 Euro, inklusive Frühstück

Der Autor Jens Rosenbaum ist Journalist, Verleger und Hotel-Tester.

Nach dem letzten veröffentlichten Test (ein 179-Zimmer großes Budget-Hotel) steht nun ein 177 Zimmer umfassendes Luxus-Hotel einer bekannten deutschen Hotelmarke auf dem Prüfstand. Seit 2018, dem Beginn meiner Artikelserie über Hotel-Tests und der hierzu begleitenden Studie, habe ich immer auch ein Auge auf die deutschen Hotelmarken geworfen. Nicht alle sind mehr in deutscher Hand, aber gleichwohl alle noch von Bedeutung. In diesem Test nun das Steigenberger Icon Grandhotel Handelshof in Leipzig. Leipzig beherbergt 18 Hotels, die gemäß Hotelstars Union Deutschland der Vier-Sterne-Kategorie angehören, jedoch keines in der Fünf-Sterne-Kategorie. Bei der Deutschen Hospitality wird vermutlich niemand widersprechen, wenn das Steigenberger Icon Grandhotel Handelshof genau dort verortet werden soll, als Luxus-Hotel mit Fünf-Sterne-Anspruch. Denn genauso werden die Icon-Hotels bei Steigenberger auch beschrieben, „die ein luxuriöses, erstaunlich unprätentiöses Erlebnis der Gastfreundschaft bieten“ sollen.

Zimmer

Eingerichtet im für Steigenberger typischen Stil mit dunklen Holztönen und gesetzten Farben erwartete mich, aufgrund meiner Buchung, ein „Grand Deluxe Zimmer,“ das aus Flur, Bad, begehbarer Ankleide und dem eigentlichen Zimmer besteht. Neben dem Bett samt markantem, fast deckenhohem Wandpaneel erwarten den Gast zwei bequeme, im klassischen Stil gehaltene Sessel, ein kleiner runder Tisch und ein Schreibtischboard samt Stuhl. Dort ist auch der obligatorische Flachbildschirm mit Schwenkarm untergebracht. Die Minibar im Flur verdient ihren Namen und ist vollständig ausgestattet. In Summe macht das Zimmer einen wertigen Eindruck, daher passt auch die Bezeichnung Deluxe. Doch das Grand schon nicht mehr. Denn beworben wird diese Zimmerkategorie mit 38 bis 42 Quadratmetern, für ein „großzügiges Raumgefühl“. Nun, das eigentliche Zimmer bietet in den Abmessungen von Zirka 3,9 x 4,6 Metern netto keine 18 Quadratmeter. Da ist zwar schon Raum zwischen Bett und Wand, aber eben kein großzügiger. Wir erinnern uns, das reine Zimmer im Budget-Hotel Premier Inn, siehe Test aus der Ausgabe September 2023, war in den Abmessungen nur 90 beziehungsweise 70 Zentimeter schmaler, bei einer Zimmerrate von lediglich 60 Euro. Und selbst in der Addition aller Räume, also inklusive Bad, Flur und Ankleide, komme ich für Leipzig nur auf knapp 35 Quadratmeter. Somit ergibt sich, gefühlt wie rechnerisch, eine Differenz zu der Erwartung. Das Versprechen „großzügiges Raumgefühl“ bleibt unerfüllt. Die Klima-Anlage ist bedienerfreundlich, aber nicht leise genug für die Nachtruhe. Denn mit gemessenen 57 bis 59 Dezibel im voreingestellten Modus, das entspricht von der Lautstärke her einem Radio in Zimmerlautstärke, ist mir dies zu laut. Aber dafür gibt es ja den Off-Schalter. Man kann aus kleinen Räumen viel machen, aber wer großes ankündigt, sollte auch groß liefern.

Bett

Das Bett präsentiert sich in funktionaler Schlichtheit, ohne Zierkissen oder Tagesdecke beziehungsweise -schal. Und das ist gut so, denn dergleichen optischer Zierrat beim Bett ist selten eine Hilfe für den Gast, für das Housekeeping aber immer eine Last. Pro Bettseite werden zwei Kissen im Format 50×80 und 80×80 Zentimetern angeboten und hier hat man sich Gedanken gemacht oder wurde gut beraten. Zumindest bieten das Zwei-Kammer-Daunenkissen und das Feder-/Faserkissen auch eine unterschiedliche Stützkraft. Und zusammen mit einem zusätzlich bestellten und auch gelieferten Nackenstützkissen aus Latex im Format 35×55 Zentimeter punktet das Steigenberger hier mit einem sehr guten Kissenangebot, das zudem noch eingebettet ist in den Service, für den Gast ein hinterlegbares Schlafprofil einzurichten, um dessen Bedürfnissen so nah wie möglich zu kommen (siehe hierzu auch Service). Auch die Zudecken im Format 150×200 Zentimeter mit einer Daunenfüllung sind gut gewählt. Doch während über dem Laken alles top ist, mangelt es darunter an Inspiration und am Gedanken eines gut geplanten Bettenkonzeptes. Das liegt nicht nur an einem normalen Boxspringbett in Standardausführung, wie es fast überall steht, sondern auch am Bettformat 180×210 Zentimeter. Diese Überlänge wissen alle Gäste jenseits der 180 Zentimeter Körperlänger zu schätzen. Doch die Zudecke hat eben nur 200 Zentimeter Länge. Das ergibt keinen Sinn. Wenn Überlänge einen Nutzen stiften soll, dann muss das mindestens im Einklang geschehen. Das Bett hat eine Sitzkantenhöhe von 68 Zentimetern. Zur Einordnung: Ein Stuhl hat üblicherweise eine Sitzhöhe zwischen 40 und 50 Zentimetern. Je höher die Sitzfläche, desto weniger Personen erreichen beim Sitzen mit ihren Füßen noch den Boden. Bei den hier gebotenen 68 Zentimetern erreicht statistisch die Hälfte der Gäste eben jenen nicht mehr. Warum dieser Höhenflug? Den ohnehin schon üppigen Federkernmatratzen im Format 90x210x23 Zentimetern wird ein Topper in Höhe von sieben Zentimetern zugefügt. Zusammen mit dem Bettunterbau summierte es sich so nun auf stolze 68 Zentimeter, was Gästen, in Abhängigkeit von Alter und Größe, Probleme bereiten kann. Die zwei 90×210 Matratzen sowie der 180×210 Topper sind jeweils mit einem Encasing, also Schutzbezug ausgestattet, wobei der Topper auf den glatten Encasings der Matratzen darunter zum Rutschen neigt. Hier kommt die nächste Frage: Warum doppelte Encasings? Ohnehin bin ich kein Freund dieser wasser- und meist auch dampfundurchlässigen Schutzbezüge, da ich darauf schnell schwitze. Aber wenn nun, dann hätte der fünfseitige, baumwollbeschichtete PU-Schutzbezug für den Topper ausgereicht. Die jeweils sechsseitigen für die beiden Matratzen darunter wären mithin also überflüssig. Nachhaltig ist das nicht. Ebenso ist der Bezug der Matratzen, anders als jener des Toppers, nicht zum Waschen abnehmbar. Schade, denn fehlende Waschbarkeit begrenzt die Lebenszeit solcher Produkte. Beim Liegekomfort gilt zu beachten, dass dieser immer sehr subjektiv ist, doch sollte ein Einsinken der Schulter in Seitenlage grundsätzlich in gewissem Umfang möglich sein, was hier, trotz zusätzlichem Topper aus Schaum, nur eingeschränkt möglich ist. In Summe wirkt das alles nicht wirklich durchdacht.

Bad

Das Bad, mit einer ungefähren Größe von zirka neun Quadratmetern, ist sehr schön, aber basisorientiert eingerichtet. Die Aufteilung bietet, neben einem Waschtisch mit zwei Becken, auch eine Badewanne, Dusche wie Toilette, diese jeweils separat, und eine Ankleide mit Sitzmöbel. Ganz sicher Premium, aber kein Luxus.

Hygiene

Technisch gemessene Werte bei der Hygiene sind stets anders zu werten als rein visuelle Beobachtungen. So stellen Haare Dritter keine Gefahr für den Gast dar, doch sind sie unschön und vermeidbar. So bietet das Bett in Leipzig, bei ordentlichen Hygienewerten von 1.546 KbE (Hygieneklasse 2), leider die unschöne Ansicht einer Auswahl an Haaren auf dem Encasing für den Topper. Verschiedene Längen, Farben und Formen lassen vermuten, dass hier eine Sammlung vorlag. Da der Schutzbezug beschichtet ist, lässt sich dieser nicht einfach abwischen, sondern muss regelmäßig gewaschen werden. Das ist dann wohl schon länger nicht mehr gemacht worden. Länger her ist auch ein gründliches Saugen des Teppichs, speziell im schmalen Gang zwischen Bett und Wand, wo sich eine deutliche Schicht diverser Partikel zu bilden beginnt. Und so setzten sich kleine Details in Sachen fraglicher Sauberkeit fort, wie beim Wassertank der Espressomaschine, der Fernbedienung, dem Telefon oder der Dusche mit Schaumresten am Fliesenspiegel sowie Schimmelspuren an den Fugen. Speziell dort, wo der ausgestreckte Arm nicht mehr hinkommt und wofür es eine Verlängerung braucht oder einen Tritt. Bei all diesen Details braucht es nicht nur die Sorgfalt der Ausführenden, sondern auch die passenden Vorgaben der Führenden. So kippt hier die Wertung von einem überdurchschnittlich guten Wert beim Bett in Richtung Durchschnitt, respektive etwas darunter. Nicht zur eigentlichen Hygiene, aber doch in diesen Kontext gehört unter anderem auch die Beobachtung, dass alle beim Bett (Topper und Matratzen) ausgewiesenen Jahreszeiten zum Wenden nicht dem aktuellen Kalender entsprechen. Diese produktabhängigen Vorgaben werden von den Herstellern nicht ohne Grund gemacht. Diese nicht zu befolgen bedeutet, dies bewusst zu ignorieren – das glaube ich persönlich nicht – oder keine Zeit dafür zu haben. Zeit erfordert es auch, in regelmäßigen Abständen Schränke und sonstige Möbel zu inspizieren, vor allem dann, wenn die Sitzpolster auf den Sesseln praktischerweise via Klettverschluß befestigt sind. Und so durfte ich, beim Überprüfen der Sitzmöbel auf mögliche Krümeldepots der Gäste, Bekanntschaft mit Rhaphigaster nebulosa machen, zu deutsch Graue Garten- oder Stinkwanze. Dies vorab: Nach Artenbestimmung und Foto- wie Videodokumentation, auf eine Geschlechtsbestimmung wird verzichtet (wäre aber sinnvoll, da Weibchen bis zu 40 Eier legen), wird Rhaphigaster nebulosa, oder kurz Rhaphi, tierschutzkonform an frischer Luft wieder ausgesetzt. Dieses kleine, sechsbeinige Insekt, das sei betont, ist keinerlei Indiz für mangelnde Hygiene! Doch lieben diese Tiere die Wärme, da ursprünglich aus südlicheren Gefilden kommend, und suchen daher ab Herbst einen Ort zum Überwintern. Aber zum Zeitpunkt des Tests ist der Herbstbeginn schon länger her und Rhaphi hätte dort, im Sessel, vermutlich bis zum Frühjahr ausgeharrt, immer der Gefahr ausgesetzt, durch die unglückliche Platzierung eines gewichtiges Gästehinterteils auf dem Sitzpolster dazu genötigt zu werden, sein Sekret zu versprühen – nicht umsonst trägt es auch den Namen Stinkwanze. Dergleichen sollte daher das Housekeeping finden, nicht der Gast. Aber auch dazu braucht es Ressourcen an Personal und Zeit.

Service

Hier ist alles perfekt. Von der Begrüßung bis zur Verabschiedung ist es, betreffend des Personals, die reine Freude im Handelshof übernachten zu dürfen. Diskret, immer freundlich, stets aufmerksam und kompetent. Das gewünschte und zusätzlich bestellte Nackenstützkissen liegt bei Anreise wie selbstverständlich auf dem Bett. Es wird sich bei Abreise explizit nach meiner Zufriedenheit erkundigt, sonstige Anmerkungen meinerseits für mein individuelles Schlafprofil werden hinterlegt. Vorbildlich. Beim Frühstück werde ich nach meinen Namen und nicht nach der Zimmernummer befragt. Am Anreisetag, einem Sonntag, muss ich, da das Restaurant geschlossen hat, für mein Dinner in der übervollen Lobby, die auch gleichzeitig die Bar beherbergt, Platz nehmen. Dort sind lediglich zwei Mitarbeiter im Einsatz, die sich nicht nur um das Wohl der Hausgäste zu kümmern haben, sondern auch um jene, die vom unmittelbar vor der Türe stattfindenden Weihnachtsmarkt hereinströmen. Und dennoch wird meine Bestellung nach gemessenen 140 Sekunden aufgenommen, nach weiteren 180 Sekunden habe ich ein frisch gezapftes Radeberger vor mir stehen. Und alles ohne Hektik. Kompliment. Küche und Bar gehören weniger zu meinem Fokus, dennoch ist hier alles tadellos und zu meiner vollsten Zufriedenheit. Auch der Service, sowohl beim Frühstück auf jedem (!) Tisch, als auch auf dem Zimmer eine Flasche Staatlich Fachingen zu platzieren, wird von mir dankbar aufgenommen. Besser geht es in Summe nicht und so muss es hier auch die Höchstpunktzahl geben.

Das sagt das Hotel

Bis zum Redaktionsschluss lag keine Stellungnahme zu den von mir eingereichten Fragen vor, weder aus Leipzig direkt noch aus der parallel angefragten Zentrale in Frankfurt.

Fazit & Empfehlung

Seit 2018 wurden, inklusive Leipzig, sieben Tests in sechs Hotels der Marke Steigenberger durchgeführt. Bereits Anfang 2022, als ich erstmals mit einem Artikel über deutsche Hotelmarken beschäftigt war, hatte ich die Zentrale in Frankfurt angeschrieben, um Auffälligkeiten erörtern zu können. Das Ausbleiben einer Stellungnahme, damals wie heute, geht einher mit der Beobachtung, dass alle getesteten Hotels, ungeachtet ihrer oft imposanten wie beindruckenden Architektur und Ausstattung sowie den meist hervorragenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, bei den harten Werten weder richtig gut, noch, bis auf eine Ausnahme, richtig schlecht waren. Irgendwo graue Mitte. Reicht das aber für die Liga der Luxus- oder Premium-Hotels? Natürlich kann ich nicht wissen, wo und wie sich die Marke Steigenberger selbst sieht und/oder positionieren möchte. Doch wer Luxus-Kunden auf Dauer überzeugen möchte, und die Werbung ruft ja nach diesen, muss sich um die oben beschriebenen Details kümmern. Doch das scheint irgendwie nicht ausreichend der Fall zu sein. Liegt das an fehlender Wahrnehmung, mangelndem Interesse oder zu großen, anderen Baustellen? Es darf nicht vergessen werden, dass Steigenberger nicht nur einen Inhaberwechsel hatte, sondern auch Aufsichtsrat und Vorstände während dieser Zeit im Wechselmodus waren. Das schafft Unruhe und mag möglicherweise ablenken von scheinbar unwichtigen Details. Aber auf genau diese kommt es an, wollte man sich einen Platz im Olymp der Hotellerie sichern. Bezogen auf Leipzig kommt der Handelshof, trotz aller Kritik, vor allem dank seines Teams auf eine insgesamt noch zufriedenstellende Beurteilung. Das Potenzial für mehr ist aber vorhanden.