Gibt es zu viele Hotels in Deutschland, Frau Froböse?

Gibt es zu viele Hotels in Deutschland, Frau Froböse?

Tina Froböse ist Managing Partner bei SELECT Hotel Consulting GmbH, Düsseldorf. Im Interview spricht Sie über die Entwicklung des Angebots, Leerstände, das Zinsniveau und seine Folgen, durchschnittliche Zimmerraten und Projektpipelines.

Frau Froböse, die Auslastung der Unterkünfte in Deutschland lässt oft zu wünschen übrig. Ist die Zahl der auf dem Markt angebotenen Betten ganz einfach zu groß?

Wir haben uns dafür die Angebotsentwicklung für Hotels und Hotels garni in Deutschland im Zeitraum 2005 bis einschließlich erstes Halbjahr 2023 angesehen. Das Ergebnis: Die Zahl der Betriebe ist um 12,6 Prozent zurückgegangen, die der Betten um über 30 Prozent gestiegen. Gleichzeitig ist die Nachfrage überproportional gewachsen – um rund 57 Prozent auf rund 122 Millionen Übernachtungen allein im ersten Halbjahr 2023, was nahezu auf gleichem Niveau liegt wie im Vergleichszeitraum des Rekordjahrs 2019. Der RevPAR liegt an manchen Standorten der Republik über dem Vor-Pandemie-Jahr 2019. Das spricht nicht pauschal für ein zu großes Angebot. Wenn, dann trifft das nur auf einzelne Destinationen, Lagen und Betriebe zu.

Trotzdem stehen deutschlandweit jede Nacht rund eine Million Hotelbetten leer. So viel Leerstand kann wirtschaftlich doch nicht gesund sein.

Das klingt sicher dramatisch. Wir sollten uns aber auch mal anschauen, wie viele Häuser gut gefüllt sind. Und das sind eine ganze Menge. Bei angemessenen Zimmerpreisen erreicht ein Hotel die Gewinnschwelle für gewöhnlich schon bei einer durchschnittlichen Auslastung von rund 65 Prozent, bei Hotels garni und Budgethotels liegt diese Schwelle noch darunter. Das heißt im Umkehrschluss: Selbst bei einer Leerstands-Quote von bis zu 35 Prozent kommt ein Haus im Normalfall ohne Verlust durch. Wir müssen solch plakative Zahlen wie die eine Million leeren Betten pro Nacht also relativieren, um die Situation bewerten zu können.

Dennoch ist die Angebotsentwicklung der vergangenen Jahre nicht in erster Linie das Ergebnis einer entsprechenden Nachfrage, sondern eines durch die jahrelange Niedrigzinspolitik der EZB angeheizten Baubooms. Anleger investierten angesichts fehlender Alternativen bevorzugt in Immobilien. 

Die Zinsentwicklung hat sicher maßgeblich dazu beigetragen, dass lange Zeit viel Kapital in die Immobilienmärkte geflossen ist. Aber die Hotelimmobilie galt zuvor auch immer als das Schmuddelkind der Finanzwelt. Banker winkten bei Finanzierungsanfragen reihenweise ab. Das hat sich dann glücklicherweise geändert.

Wie ist dieses Schmuddelkind-Image denn seinerzeit zustande gekommen?

Wir hatten damals in der Branche viele Verantwortliche, die zwar exzellente Gastgeber, aber nicht immer genauso exzellente Kaufleute waren. Im Zuge der nach der Finanzkrise 2007/2008 eingeleiteten Niedrigzins-Phase floss dann viel Geld in den Hotelimmobilien-Markt, was eine Reihe von Fonds und zahlengetrieben Menschen auf den Plan rief und zu einer sukzessiven Professionalisierung des Marktes führte. Im Zuge dessen hat die Asset-Klasse Hotel einen regelrechten Schub bekommen, wurde salonfähig für Investitionen und Finanzierungen. Internationale Hotelketten, die Deutschland als Expansionsfeld schon lange im Visier hatten, aber keine Pachtverträge unterzeichnen wollten, um zu wachsen, haben sich hierzulande über Franchise-Verträge mit lokalen beziehungsweise regionalen Betreibern durchgesetzt. Aber auch deutsche Hotelgesellschaften konnten die Welt der etablierten, internationalen Player mit zeitgemäßen und gleichermaßen wirtschaftlichen Betrieben aufmischen. Und damit waren auch die vorher skeptischen Banker plötzlich interessiert. Denn wenn eine renommierte Hotelmarke an einen Standort glaubt und Konzepte nicht nur als Insellösung funktionieren, sondern in Serie gehen, dann hinterlässt das auch bei den Geldhäusern Eindruck, macht Projekte attraktiv und kalkulierbar, senkt das Risiko.  

Geblieben ist das Problem der im internationalen Vergleich nach wie vor viel zu niedrigen Durchschnittsraten, was dann wiederum für einen Angebotsüberhang spricht. 

Ganz falsch ist das sicher nicht. Aber so pauschal würde ich dem dann doch nicht zustimmen. Der Bessere ist immer der Feind des Guten. Viele Hotels in Deutschland haben keine Probleme. Dazu kommt: Luxushotels mit außergewöhnlichen Raten und einer entsprechenden Signalwirkung können sie hierzulande an einer Hand abzählen. Das trägt nicht gerade dazu bei, dass das Preis-Niveau auf einem Markt steigt. Andererseits haben sich die Raten bei einigen Unternehmen aus der Midscale-Hotellerie durchaus sehr dynamisch entwickelt. Nehmen wir das Beispiel Motel One, die mal mit Preisen von 49 Euro angefangen haben. Ich persönlich habe zuletzt selten weniger als hundert Euro für eine Motel-One-Übernachtung gezahlt. Auch in der Ferienhotellerie gibt es etliche Beispiele für deutliche Preissprünge. Problematisch für die Hotellerie sind eher die gestiegenen Betriebskosten: Neben Kosten für Energie, Löhne/Gehälter und Lebensmittel belasten auch indexierte Mieten die Ertragskraft.  

Die Immobilienkrise wird die Projektpipelines schrumpfen lassen. Wie beurteilen Sie die Situation?

Bauen im Bestand, Revitalisierung, Umnutzung– diese Themenwerdenin den kommenden Jahren sicher an Bedeutung gewinnen. Das muss aber kein Nachteil sein: Wer jetzt eröffnet, der hat nicht immer die beste Lage. Bestandshotels sind da oft in der günstigeren Position.

Wird die Krise zur Kehrtwende auf dem Hotelinvestmentmarkt führen?

Das ist maßgeblich abhängig von der künftigen Zinsentwicklung und der Rendite einer risikoarmen Investition beziehungsweise Alternative wie einer Bundesanleihe. Ich gehe davon aus, dass das Zinsniveau, das wir vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs und der im Zuge dessen entfachten Inflation erlebt haben, so schnell nicht zurückkommt. Eine gewisse Kerninflation wird uns aus mehreren Gründen mittelfristig erhalten bleiben. Die Zeit niedriger Renditen ist damit vorerst vorbei.