Herr Hausmann, auf der ITB in Berlin gibt es immer mehr technologische Anbieter für die Hotellerie. Wie können Hoteliers den Überblick darüber behalten, welche Dienste sie brauchen und welche nicht?
Ich glaube nicht, dass die Mehrheit der Hoteliers das überhaupt kann. Nur, wer sich aufwändig vorbereitet oder sich grundsätzlich gerne mit den neuesten technologischen Entwicklungen beschäftigt, blickt noch durch.
Es hieß zuletzt immer wieder, die Betriebe der Branche hätten in der Pandemie große digitale Fortschritte gemacht. Stimmen Sie damit überein?
Nein. Das ist eine jener Thesen, die sich verselbständigt haben. Eine Gruppe von vielleicht 200 bis 300 Brancheninsidern trifft sich mehrmals im Jahr auf diversen Events und tauscht sich aus. Darunter sind neben Hoteliers und Verbandsvertretern auch viele Vertreter technologischer Anbieter. Sie kommunizieren vermeintliche Trends, die – je öfter sie verbreitet werden – als gegebene Wahrheiten akzeptiert werden. Hinterfragt werden sie bedauerlicherweise selten. Aber: Bilden sie die Realität des Marktes in der Breite ab? Sind sie stellvertretend für rund 20.000 Hotels allein in Deutschland? Ich denke nicht.
Mit anderen Worten: Behauptungen bekommen den Charakter offizieller Wahrheiten?
Das ist der springende Punkt. Ich mag jedenfalls nicht in den Kanon derer einstimmen, die davon sprechen, die Branche sei in Sachen Digitalisierung aufgewacht und bleibe in dieser Hinsicht skeptisch.
Dabei heißt es doch jetzt sogar immer öfter, die KI halte Einzug in die Hotellerie.
Ja, das ist auch so ein Thema. Es besteht ganz einfach ein großer medialer Drang zur Verbreitung von Hypes. Und das in einer Zeit, in der allenthalben Nachhaltigkeit gepredigt wird. Vor geraumer Zeit ging es um die Block Chain, die alles revolutionieren werde. Heute ist das Thema gefühlt fast schon in Vergessenheit geraten, stürzen sich die Protagonisten auf Open AI beziehungsweise Chat GPT. Aber ich kann Ihnen versichern: Das Thema KI ist in der Hotellerie noch lange nicht angekommen.
Hat Open AI also keinen Einfluss auf das Online Marketing der Branche, wie Experten meinen?
Doch. Es wird ganz sicher Einfluss haben. Denn wir halten den technischen Fortschritt nicht auf. Die Technik ist auch nicht das Problem. Die Frage ist nur: Mit welchem Content wird sie gefüttert? Davon hängt das Ergebnis der Anwendung ab. Deshalb wird es meiner Ansicht nach zumindest dauern, bis wir maßgebliche Benefits sehen werden.
Wird es auf dem Markt der Tech-Anbieter in den kommenden Jahren zur Konsolidierung kommen?
Auf jeden Fall. Nach meiner Beobachtung ist das ein fortlaufender Prozess, der ständig stattfindet. Und ich begrüße das. Im Gegensatz etwa zu den USA, wo unternehmerisches Risiko geschätzt wird, haben wir in Europa leider ein großes Problem damit, wenn etwas scheitert. Versuch und Irrtum – das steht bei uns nicht gerade hoch im Kurs. Dabei kann am Ende nur so Großes entstehen. Warum nicht mal etwas wagen, auch wenn es sich am Ende nicht durchsetzt? Lernen aus Fehlern muss möglich sein. Andere greifen das Thema auf und machen es besser. So entsteht Fortschritt. Mutig sein. Keine Angst haben. Das wünsche ich mir auch hier. Genauso weniger Furcht vor Giganten wie Google und Booking. Auch sie sind verwundbar, auch sie werden nicht ewig dominieren. Das haben die vergangenen Monate doch eindrucksvoll gezeigt. Die fünf ganz großen Tech-Unternehmen der Welt haben zuletzt Milliarden Euro beziehungsweise Dollar an Wert verloren und zusammen rund 150.000 Mitarbeiter entlassen. Wer hätte das noch vor Kurzem für möglich gehalten?