Herr Ingenillem, wie fällt Ihr Fazit zum Hotel Digital Score 2022 aus?
Mit dem Online Marketing in der deutschen Privathotellerie geht es glücklicherweise voran. So viel können wir im Vergleich zur Untersuchung im vergangenen Jahr sagen. Nicht zuletzt krisenbedingt setzen sich immer mehr Unternehmen der Branche mit dem Thema auseinander. Andererseits zeigen die Ergebnisse der Analyse auch, dass viele Betriebe der Hotellerie immer noch nicht wirklich verstanden haben, wie sie mit der zunehmenden Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft umgehen sollen. Außerdem zeigt sich: Online Marketing ist immer noch nicht Chefsache. Das sollte es aber unbedingt sein.
Woran liegt das?
Vielen Hotelbetreibern fehlt das Bewusstsein dafür, dass Online Marketing erfolgsentscheidend und wesentlich bedeutender ist als klassisches Marketing. Dazu kommt: Das Angebot auf dem Markt ist ebenso riesig wie unübersichtlich: Untersuchungen zufolge gibt es europaweit zwischen 2.000 und 3.000 technologische Dienstleister für die Hotellerie, der Markt ist kaum strukturiert. Angesichts dessen wissen viele Hoteliers ganz einfach nicht, was sie brauchen und was nicht. Es gibt allein zehn bis 15 Touchpoints, über die der Gast zum Hotel kommen kann. Daten müssen konsolidiert, Kanäle bedient werden. Angesichts solcher Herausforderungen kommt bei dem einen oder anderen Hotelier schnell Resignation auf. Viele Geschäftsführer und Direktoren fühlen sich von der Materie überfordert und in der Folge auch nicht zuständig. Kein Wunder, denn die Sache ist ja auch eine Wissenschaft für sich. Das macht sie aber nicht weniger wichtig.
Wie beurteilen Sie die Situation?
Die Situation ist durchaus besorgniserregend. Mich ärgert es, dass diese Branche, in der ich beruflich groß geworden bin und die ich liebe, ihre Augen davor verschließt, dass der Gast bestimmt, wohin die Reise geht und nicht das Hotel.
Ist es eine gute Nachricht, dass im Vergleich zum letzten Jahr inzwischen mehr Hotels eine eigene Buchungsmaschine auf ihrer Website einbinden oder eine bad news, dass eben diese IBE bei der Hälfte der Privathotels in Deutschland nach wie vor fehlt?
Ich freue mich über den Aufwärtstrend. Allerdings sind 50 Prozent ohne eigene IBE schon noch enorm viel. Es gibt sogar noch immer Betriebe, die die Buchungsmaschine eines Buchungsportals auf ihrer Website einbinden und Kommission für Buchungen auf ihrer eigenen Seite zahlen. Die Betrachtung vieler Betreiber ist ganz einfach zu kurzsichtig: Sie sehen in der Regel nur die Provision, die sie zahlen müssen. Aber bei einem Gast, der nicht direkt in den Marketing Cycle des Hotels gelangt, weil er über das Portal bucht, geht es nicht nur um die Provision. Es geht um Markenbindung, um Kundendaten und emotionales Engagement. All das geht im Falle der Buchung über OTAs verloren. Viele Hoteliers vernachlässigen dies bei ihrer Kalkulation.
Ihre Analyse brachte auch eine interessante positive Korrelation zutage: Je mehr Sterne und Zimmer ein Haus besitzt, desto besser ist sein Online Marketing. Wie erklären Sie das?
Schlichtweg mit der Tatsache, dass es in größeren Häusern mehr Personal gibt, dass sich mit Online Marketing beschäftigen kann.
Angesichts der anhaltenden Personalkrise in der Branche könnte das aber auch heißen, dass die Performance im Online Marketing in Zukunft beeinträchtigt wird.
Einerseits ist das richtig. Andererseits lässt sich das Thema auch an Experten sinnvoll ausgliedern.
Wagen Sie eine Prognose: Wird die Hotellerie die digitale Kurve bekommen?
Nicht vollständig, befürchte ich. Zumindest vielen Betrieben aus der undefinierten Masse der Privathotellerie könnte das zum Verhängnis werden.