Hat Airbnb ein Hygiene-Problem?

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Hat Airbnb ein Hygiene-Problem?

Der Autor Jens Rosenbaum ist Herausgeber, Journalist und Hotel-Betten-Experte.

Die Studie über Hotel-Betten, die seit 2018 läuft und über die regelmäßig berichtet wird, wirft regelmäßig auch einen Blick jenseits der klassischen Hotellerie. Überall dort, wo Gästen gegen Entgelt eine Übernachtung geboten wird, werden die Angebote stichprobenartig geprüft. Denn wer auch immer im Markt der Beherbergung aktiv ist, sollte sich am Machbaren messen lassen. Schlaf ist zu wichtig, um die Qualität des Bettes dem Zufall zu überlassen. Und ein zahlender Gast hat Anspruch sowohl auf eine Leistung, die seiner Gesundheit nicht abträglich ist, sondern auch auf eine Leistung, die nicht völlig jenseits des allgemeinen Standards liegt. Daher wurden bislang nicht nur mobile Betten geprüft, wie zum Beispiel das Bett in einem Schlafwagenabteil der SBB (Schweizerischen Bundesbahn), sondern auch private, wie bei Airbnb.

Airbnb behauptet von sich, alternative Reiseerfahrungen zu bieten. Lokal und authentisch, für das besondere Urlaubserlebnis, aus der Perspektive eines „Locals“. Wir wollten natürlich wissen, was das für das Bett bedeutet. Im Zeitraum 2019 bis 2022 wurden daher, mit einer durch Corona bedingten Pause, mehrere Airbnb-Angebote unter die Lupe genommen und drei davon – in Hamburg, Hannover und Krefeld – auch auf Hygiene getestet. Dabei wurden stets ganze Wohnungen gemietet und nicht einzelne Zimmer. Die Kosten für eine Übernachtung lagen in den hier vorgestellten Tests bei 425,15 Euro, 244,55 Euro und 135 Euro, ohne Mehrwertsteuer – da ja nicht gewerblich. Die folgende Bewertung wird ihren Schwerpunkt in der Hygiene haben. Dafür wurden aus den Testergebnissen Durchschnittswerte gebildet und diese mit dem Durchschnitt der Hotellerie verglichen.

Buchung & Check-in

Bei Airbnb kann nur über deren eigene Plattform im Internet gebucht werden, wozu auch eine App auf dem Handy zu installieren ist. Da fängt die Kundenbindung schon mal an. Anders als bei einer Buchung in einem Hotel muss man sich hier als künftiger Gast aber erstmal mit allen relevanten Daten, Ausweispapieren und einem persönlichen Foto registrieren. Airbnb weiß also alles über seine Gäste – und kann vermutlich auch die komplette Kommunikation mit dem Gastgeber mitlesen. Denn auch die erfolgt ausschließlich über diese Plattform. Die Wohnungen sind vernünftig beschrieben sowie bebildert und die Gastgeber, die bei Anfragen fast binnen Minuten antworten, geben bereitwillig Auskunft. Buchung und Buchungsbestätigung erfolgen also ausschließlich über diesen Kanal. Das ist schon sehr gut gemacht, zumal sofort eine persönliche Beziehung aufgebaut wird. Die meisten Gastgeber fragen auch nach, was Sie noch tun könnten, um den Aufenthalt angenehm zu gestalten. In der Kommunikation ist Airbnb schon eine Klasse für sich. Beim Thema Bett reduzieren sich zwar die Möglichkeiten, doch die Bemühungen der Gastgeber:innen sind schon beeindruckend.

Ausstattung

Die Beschreibung „alternative Erfahrung“ trifft es sehr gut, da die Gastgeber das Thema Bett sehr individuell interpretieren und es keinen Standard gibt. Tendenziell ist Box-Spring weniger zu finden, eher Matratze mit einer Unterfederung wie dem klassischen Lattenrost, was in privaten Haushalten auch zu achtzig Prozent vorherrschend ist. Aber auch eine Matratze auf Europaletten wurde vorgefunden. Von üppig und verspielt bis hin zu nüchtern und reduziert ist alles möglich. Die Kunst des Betten machens, wie in der Hotellerie üblich, ist hier aber unbekannt. Das sah überall etwas flüchtig aus, sagen wir mal pragmatisch. Auffallend war auch in allen untersuchten Einheiten ein gewisser Verschleiß. Beispiele: Eine Matratze mit nur einer Hälfte vom Matratzenbezug, Löcher in Bezügen, optische Flecken in der Wäsche oder dem Laken. Ob dies das Resultat einer intensiven Nutzung durch die Gäste ist (eher nicht, denn alle Objekte machten nicht den Eindruck einer hohen Gästefrequenz), oder der Gastgeber hier in seiner zu vermietenden Zweitwohnung seinem alten Bett eine zweite Laufzeit gönnt, lässt sich hier nicht beantworten, aber es führt zu Abzügen in der Bewertung.

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Schlafkomfort

Auch hier gilt das Prinzip, vor Überraschungen nicht sicher zu sein. Auf Europaletten, auch wenn Sie der Norm EN 13698-1 entsprechen, schläft es sich mit einer Matratze eben deutlich ungemütlicher als auf einem hochwertigen Lattenrost. Aber vom Grundsatz ist fast alles möglich und wurde in dieser Bandbreite auch erlebt.

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Hygiene

Wie in der Kommunikation ist Airbnb auch in der Hygiene eine Klasse für sich. Hier aber am anderen Ende der Skala. Bei den analysierten Durchschnittswerten liegt Airbnb bei allen vorgefundenen Untersuchungsgegenständen, mit Ausnahme bei der Unterfederungen (Lattenroste sind leichter zu reinigen und verschmutzen auch nicht so schnell), deutlich über dem Durchschnitt der Hotellerie – und ist damit signifikant unhygienischer. Selbst bei einem so einfach zu reinigenden Gegenstand wie der Toilettenbrille, wo es nur eines sauberen Lappens und Desinfektionsmittels bedarf, werden nicht annähernd die Werte wie in der klassischen Hotellerie erreicht. Die vorgefundenen Werte passen so zum visuellen Eindruck, den ein nicht perfekt gemachtes Bett schnell ausstrahlt, ebenso wie die Flecken und Haare, die in allen Betten vorgefunden wurden. Auch in der privaten Vermietung kommen Matratzenschutz- oder Schonbezüge zum Einsatz, schaffen aber auch hier keinen Nutzen, sondern verschlimmern nur die Hygiene. Der Blick auf die Tabelle erspart das Aufzählen der einzelnen Positionen, verdeutlicht aber, das hier von einer eigenen Hygieneklasse gesprochen werden muss, die mit einem Durchschnittswert von 6.850 KbE die neue Klasse sechs befüllt. Sechs wie ungenügend. Denn es ginge ja besser, wie die professionellen Hotels vormachen.

Check-out

Zur DNA bei Airbnb gehört die Kommunikation mit dem Gastgeber, dem „Host“. Diesen informiert man über seine Abreise und in der Regel fragen alle direkt nach, ob alles in Ordnung gewesen sei. Und Airbnb selbst schaltet sich ein und bittet um eine Bewertung seines Gastgebers, bevor dieser dann seine Bewertung über den Gast abgibt. Und das Thema der gegenseitigen Bewertung wird auch sehr hartnäckig verfolgt. Hier ist also der Kunde nicht König, sondern lediglich Gast, der sich zu benehmen hat. Und falls nicht, dann erfahren es vermutlich alle anderen Gastgeber, wo man künftig für eine Übernachtung nachfragt. Denn die abgegebenen Bewertungen gehören dann auch zur einsehbaren Historie eines jeden Gastes. Das ist schon beeindruckend, aber auch etwas nervig, denn wehe, man gibt seine Bewertung nicht ab. Aber immerhin, man hätte als Gast hier die Möglichkeit auf Mängel beim Bett hinzuweisen, ohne dass diese Informationen gleich wieder versickern, wie das bei einer klassischen Hotelrezeption bisweilen der Fall sein kann.

Das sagt Airbnb

Wie immer vor der Veröffentlichung eines Tests wurde auch hier um die Beantwortung von Fragen gebeten, aber nicht bei den Gastgebern, sondern direkt bei Airbnb. Schließlich verantwortet Airbnb was bei den Gastgebern vor Ort geschieht, denn die Vorgaben kommen von oben. Und alles läuft unter der Marke Airbnb, ebenso die Quittung. Dann sollte der Anbieter auch verantwortlich für das Produkt sein. Dazu wurde per Mail die Presseabteilung bemüht. Von dort kam auch gleich eine Rückmeldung. Es wurde aber nur rückgefragt, um welche Gastgeber:innen es sich bei den Tests gehandelt hat und es wurde darauf hingewiesen, wo für Gastgeber Informationen hinsichtlich Ausstattung und Hygiene zur Verfügung stehen. Sonst gab es, bis Redaktionsschluss, keine weiteren Auskünfte. Und ja, es gibt ausführliche Hinweise zum Thema Reinigung auf den Internetseiten von Airbnb. Es gibt eine Übersicht über Reinigung und Reinigungstechniken, inklusive Videos, es gibt Checklisten und Informationen über Reinigungsmittel sowie -services. Das ist alles gut gemacht und deckt grob auch alle Bereiche ab. Aber reicht ein 3 Minuten und 48 Sekunden langes Video aus, um zu ersetzen, was ein professionelles Housekeeping über Jahre lernt? Und was taugt „Das Reinigungshandbuch von Airbnb – Deine Schritt-für-Schritt-Anleitung zum erweiterten Reinigungsprotokoll von Airbnb“ (36-seitig, allerdings großzügig gestaltet, mit viel weißen Flächen und noch größeren bunten Bildern), wenn es vielleicht keiner liest? Denn die Nachfrage bei einem Superhost – „Superhosts sind erfahrene, herausragend bewertete Gastgeber:innen, die ihren Gästen großartige Aufenthalte bieten“- machte deutlich, dass zumindest nicht jeder Kenntnis von diesem Informationsangebot hat. So gab es von dort auf die Frage, ob es Vorgaben zur Bettausstattung gebe, die Antwort: „Seitens Airbnb gibt es hierbei gar keine Vorgaben. Solange du alle Angaben in deinem Inserat korrekt machst, kannst du nahezu jede Art von Unterkunft und Ausstattung inserieren.“ Und auf die Frage nach Vorgaben zur Reinigung: „Reinigung und Bett-Hygiene spiegeln sich natürlich in den Bewertungen wider, sollte diese nicht angemessen sein. Bedeutet Bettwäsche wechseln nach jedem Gast solltest du auf jeden Fall.“ Und wer hier kritisch liest, der wird wahrnehmen, dass „solltest“ eher nach kann, denn nach muss klingt.

Fazit

Airbnb stellt seinen Gastgebern Informationen zur Verfügung, wie eine Reinigung erfolgen sollte. Ob und wie diese dann wahrgenommen und befolgt werden, wird aber nicht kontrolliert. Dabei werden in den Quittungen von Airbnb explizit Reinigungsgebühren ausgewiesen. Im Falle einer zwei-Zimmer-135-Euro-Anmietung waren dies 45 Euro, bei einer großen, drei-Zimmer-425 Euro-Altbauwohnung sogar 95 Euro, zuzüglich 61,15 Euro Servicegebühren, was sich dann mit der eigentlichen Miete auf jene 425,15 Euro aufsummiert. Da wird also richtig Geld für die Reinigung genommen. Aber mit welchem Ergebnis? Beim Bett spiegelt sich das auf jeden Fall nicht wider. Dabei darf den Gastgebern kein Vorwurf gemacht werden. Sie haben ihre Wohnungen zum Teil sehr liebevoll eingerichtet und sind zumeist sehr bemüht. Vom Fach aber sind sie nicht. Mal nebenbei Vermieter werden zeigt hier also Grenzen auf, wenn es um so etwas wichtiges wie das Bett und dessen Hygiene geht. Und ja, drei auf Hygiene getestete Airbnb-Wohnungen sind statistisch dünn und taugen nur als Tendenzaussage. Aber bei den bislang mehr als 100 getesteten Hotel-Betten waren auch nur drei Maritim-Hotels. Da war sicherlich weniger alternatives, sondern eher ein Retro-Reiserlebnis zu erfahren. Dafür würden dort alle das Clean-Sleeping-Zertifikat bekommen, was den Hygieneklassen 1 und 2 vorbehalten ist, denn die waren alle blitzsauber. Dieser Unterschied ist kein Zufall. Denn in der klassischen Hotellerie ist das Housekeeping Teil der DNA. Dieses ist (zumeist) ausgebildet und richtig ausgestattet, hat tägliche Routine und wird auch kontrolliert. So liebevoll die Betten auch gestaltet sein mögen, die Chancen auf eine negative Reise-Erfahrung bezüglich der Betten sind riesengroß, besonders aufgrund der Hygiene.

Empfehlung

Das Konzept Airbnb macht eine Kontrolle jedes einzelnen Gastgebers unmöglich. Das wäre aber erforderlich, um einen Hygiene-Standard einzuführen und durchzuhalten. Damit wäre dieses Problem eines, das sich nicht lösen lässt. Daher kann sich die Empfehlung nur an die Gäste richten, die sich hinsichtlich ihrer Chancen zu entscheiden haben. Entweder eher alternatives Reiseerlebnis – oder lieber saubere Betten.

Und der Hotellerie kann empfohlen werden, sich das eine oder andere bei Airbnb abzuschauen. Wie man zum Beispiel seine Zimmer vermieten sollte, indem die Leistungen transparent aufgezeigt werden. Wie man zwischen reiner Zimmerrate, Reinigung und anderen Leistungen differenziert. Auch in der Hotellerie sollte der Gast wissen, wie sich eine Leistung zusammensetzt. Dies könnte Spielräume schaffen, auch mal die Rate zu entwickeln.

*Die Differenz beim Leitungswasser von 2 KbE ist vernachlässigbar, da unerheblich.