Alles was Recht ist!

Startseite » Alles was Recht ist!
Alles was Recht ist!

Flexible Arbeitszeiten als Zukunftsmodell

Die 4-Tage-Woche ist (k)eine Lösung?!?

In vielen Fällen verfolgen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterschiedliche Interessen. Das ist nicht schlimm. Das liegt in der Natur der Sache. Da, wo der eine (Arbeitnehmer) gerne weniger arbeiten möchte, natürlich für das gleiche Geld, sucht der Gegenüber (Arbeitgeber) vielleicht nach unbezahlter Mehrarbeit. Alles ganz normal.

Nun gibt es aber auch Themen, da stimmen Arbeitgeber und Arbeitnehmer trotz ansonsten gegenläufiger Interessen überein. Flexible Arbeitszeiten können ein solches Thema sein. Solche Arbeitszeiten sind in Zeiten des Fachkräftemangels unter Umständen ein wichtiges Instrument, Arbeitsangebote aus der Sicht betroffener Arbeitnehmer attraktiv zu machen, was wiederum für Arbeitgeber auf dem umkämpften Arbeitsmarkt einen bedeutsamen Wettbewerbsvorteil mit sich bringen kann. Unser Beitrag beleuchtet im Folgenden die Möglichkeit der Verteilung der Arbeitszeit auf eine 4-Tage-Woche. Dabei scheint etwas zu kurz zu kommen, nämlich die Frage, ob eine 4-Tage-Woche arbeitszeitrechtlich überhaupt in allen Fällen zulässig ist.

Am Anfang steht das Gesetz
Rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Arbeitszeit sind unter anderem im Arbeitszeitgesetz, abgekürzt ArbZG, geregelt. Der Zweck dieses Gesetzes ist in § 1 näher beschrieben. Dort ist nicht nur die Rede von dem durch das Gesetz angestrebten Gesundheitsschutz der betroffenen Arbeitnehmer, sondern auch davon, dass die Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten verbessert werden sollen (siehe im Einzelnen § 1 Nr. 1 ArbZG).
Weiterhin regelt § 3 ArbZG: „Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.“
Die Bestimmung scheint auf den ersten Blick hin eindeutig formuliert zu sein. Auf den zweiten Blick offenbaren sich gewisse Unschärfen. Die gilt es näher zu betrachten.

Was das Gesetz eindeutig regelt
Klar ist, dass § 3 ArbZG die werktägliche Arbeitszeit auf zehn Stunden begrenzt. Werktage sind alle Kalendertage, die kein Sonntag oder gesetzlich festgelegter Feiertag sind, unabhängig davon, ob er für den jeweiligen Arbeitnehmer ein Arbeitstag ist oder nicht. Auch der Samstag ist demzufolge ein Werktag. Der Gesetzgeber geht also von einer 6-Tage-Woche aus, was nach § 3 Satz 2 ArbZG die Möglichkeit schafft, dass ein Arbeitnehmer bis zu 60 Stunden wöchentlich arbeiten kann. Das aber geht nicht auf Dauer. Das Gesetz verlangt nämlich zugleich, dass innerhalb des in § 3 Satz 2 ArbZG beschriebenen Zeitraums ein Durchschnitt von acht Stunden werktäglich, mithin 48 Stunden wöchentlich, nicht überschritten wird. Demnach sind nachfolgend beschriebene Fälle arbeitszeitrechtlich völlig unbedenklich.
Beispiel 1: Sechs-Tage-Woche mit jeweils acht Stunden Arbeit am Tag = 48-Stunden-Woche.
Beispiel 2: Fünf-Tage-Woche mit jeweils acht Stunden am Tag = 40-Stunden-Woche.
Beispiel 3: Vier-Tage-Woche mit jeweils 8 Stunden am Tag = 32-Stunden-Woche.

Flexible Arbeitszeiten
Nun kann man mit Blick auf die im vorhergehenden Abschnitt angesprochenen Beispiele noch nicht von flexiblen Arbeitszeiten sprechen. Meist verbindet sich mit dem Begriff der „Flexibilität“ nämlich eine gewisse Variabilität der Arbeitszeit. Aber auch das ist arbeitszeitrechtlich kein Problem. Es ist lediglich darauf zu achten, dass für den Regelfall die 48-Stunden- bzw. 60-Stunden-Grenze nicht überschritten wird, sodass etwa mit Hilfe einer Arbeitszeitkontovereinbarung auch eine Flexibilisierung der Arbeitszeit im eigentlichen Sinne erreicht werden kann.

Jetzt wird es schwierig: 4×10 ist (vielleicht) keine Zauberformel!
Aus den bislang aufgezeigten Regeln zum Arbeitszeitrecht lässt sich unschwer ableiten, dass eine 4-Tage-Woche arbeitszeitrechtlich keinerlei Probleme mit sich bringt, solange durchschnittlich nicht mehr als acht Stunden gearbeitet werden. Ergo: 4×8 ist arbeitszeitrechtlich in jedem Fall zulässig. Wie aber sieht es mit einer Verteilung der Wochenarbeitszeit auf nur vier Tage mit einer Arbeitszeit von jeweils 10 Stunden aus? Überraschende Antwort: Das ist bis heute arbeitszeitrechtlich nicht abschließend geklärt. Unter Juristen konnte bislang bedauerlicherweise keine Einigkeit erzielt werden. Die einen verweisen darauf, dass das Gesetz eine Verteilung von zehn Stunden Arbeit auf vier Tage die Woche ohne Weiteres zulasse, da ja bei einer solchen Ausgestaltung der Arbeit lediglich 6,66 Stunden je Werktag (40:6) gearbeitet würde. Andere hingegen verweisen darauf, dass der 8-Stunden-Arbeitstag der Regelfall sei, von dem nur vorübergehend nach oben abgewichen werden dürfe; das aber ist bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 4×10 Stunden wöchentlich gerade nicht der Fall! Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, dass, sollte letztgenannte Auffassung zutreffend sein, auch eine etwaige Zustimmung des Arbeitnehmers zum Modell 4×10 die Rechtslage nicht verändern würde, da die Regeln des Arbeitszeitgesetzes insoweit nicht abänderbar sind, auch nicht mit Zustimmung des Arbeitnehmers.

Was tun?
Nun kann man sich natürlich auf den Standpunkt stellen, dass alles, was nicht ausdrücklich verboten ist, gestattet sein muss. Das Prinzip hieße also: „einfach Machen“! Dagegen spricht in der Tat nichts. Heißt es doch auch: „Wo kein Kläger, da kein Richter“. Und solange nicht die zuständige Arbeitsschutzbehörde Einwände erhebt, mag alles gut und richtig sein. Problematisch wird es möglicherweise, wenn ein Unternehmen seine gesamte Arbeitszeitgestaltung auf ein Modell 4×10 ausrichtet. Dann nämlich droht im Falle eines behördlichen Einschreitens eine rechtliche Auseinandersetzung, deren Ausgang augenblicklich nicht sicher abgeschätzt werden kann. Damit aber gerät unter Umständen das arbeitszeitrechtliche Gesamtkonzept ins Wanken. Das wäre natürlich für die betroffenen Unternehmen sehr unschön.

Erich Nagl – Die Stärke des Gastgewerbes ist die Flexibilität!
Die Hotelkette 25hours macht es vor. Zunächst startete die Vier-Tage-Woche als Pilotprojekt in den beiden Hotels der Marke in Hamburg. Ab dem 1. April wird für alle Angestellten in den elf Häusern der Hotelkette die 4-Tage-Woche auf freiwilliger Basis umgesetzt. Mitarbeiter haben dann die Chance, an vier Tagen pro Woche jeweils neun Stunden zu arbeiten. Scheinbar ist der Versuch erfolgreich: So sei die Bewerberanzahl allein in Hamburg um das zweihundertfache gestiegen, wie 25hours verlauten ließ. Auch Gastronomen setzen seit der Corona-Krise verstärkt auf ein 4-Tage-Modell, um potenziellen Beschäftigten die Jobs so attraktiv wie möglich zu machen. Fachkräfte gibt es nicht mehr für jeden – und wenn die Branche mit Gehalt allein nicht locken kann, und der Ruf des „krisensicheren Jobs“ durch die Pandemie gelitten hat, müssen andere Modelle zur Attraktivitäts-Steigerung für neue Generationen auf dem Arbeitsmarkt ausprobiert werden. Die Stärke des Gastgewerbes ist die Flexibilität. Daher müssen die politischen Rahmenbedingungen jetzt geschaffen werden, damit diese Flexibilität zum Tragen kommt.


Mehr zum Thema erfahren Sie im Video-Interview mit Erich Nagl und Dr. Uwe P. Schlegel.