Herr von Bonin, wir erleben gerade, wie sich die Welt durch die Corona Krise langsam auflöst. Welche Konsequenzen hat das für die Hotellerie?
Das Virus wird uns länger beschäftigen als uns lieb ist. Normalität und Rückkehr zum bisher Gewohnten wird es nicht mehr geben. Das gilt besonders für den Arbeitsmarkt. Bei aller Dramatik sehe ich darin aber die riesige Chance, Strukturen, Prozesse und die Mitarbeiterbeschaffung auf den Prüfstand zu stellen. In allen Bereichen werden Manager gebraucht, die offen für Neues sind. Das wird auch Auswirkungen auf Vergütungskonzepte haben.
Die Hotellerie klagt über schlechte Bezahlung im Vergleich zu anderen Branchen. Wie haben sich die Gehälter von Hoteldirektoren in den vergangenen Jahren entwickelt?
Unsere Studien belegen, dass Festgehälter von Direktoren langsamer gestiegen sind als noch vor fünf Jahren. Dafür sind Bonusanteile gestiegen. Doch eine Faustregel ist gleichgeblieben: Lange Betriebszugehörigkeit ist kontraproduktiv für die Gehaltsentwicklung. Neueinsteiger werden in der Regel immer noch besser bezahlt. Damit werden Loyalität und Beständigkeit bestraft und häufige Jobwechsel gefördert. Das kann ein nachhaltig orientiertes Unternehmen nicht wollen. Es ist aber auch ein Indiz dafür, dass Betriebe beim internen Vergütungsmanagement leider viel zu selten eine regelmäßige Anpassung an das Marktniveau vornehmen. Wenn es die Branche schafft, endlich Gehälter von Führungskräften nach der Dimension ihrer Ergebnisverantwortung zu justieren, würde der eine oder andere zugeben müssen, dass er mit Blick auf vergleichbare Positionen in anderen Branchen keinen Anlass zur Klage hat. Fair wäre es auch, wenn für die Neuen gilt: Erst leisten, dann fordern.
Haben Sie Vergleichsbeispiele?
Ganz konkret? Der Hoteldirektor eines 4-Sterne-Superior-Hotels mit 40 Zimmern, 54 Mitarbeitern, vier Millionen Euro Umsatz und 20 % GOP verdient nach 5 Jahren Betriebszugehörigkeit monatlich 8.000 Euro brutto plus Bonus + PKW. Sein Kollege Werksleiter aus der Elektroindustrie (vergleichbar lange im Betrieb) mit einer Umsatzverantwortung von 25 Millionen Euro und DB 1 von 35 % und 120 Mitarbeitern muss dafür ganz schön rudern, um ein vergleichbares Einkommen zu erhalten. Und das ist keine Ausnahme. Der GM eines bekannten süddeutschen Luxushotels mit unter 100 Zimmern verdient weit über 200.000 Euro plus Bonus. Sein vergleichbarer Kollege als ergebnisverantwortlicher Leiter einer Delikatessenmanufaktur mit weit höherem Umsatz und Ergebnis trägt im Jahr nur zirka 170.000 Euro nach Hause.
Wo liegen nach Ihrer Marktanalyse die niedrigsten und die höchsten Fixgehälter für Hoteldirektoren?
Das niedrigste Festgehalt eines GMs ist uns in der Budgethotellerie (110 Zimmer) mit 58.000 Euro brutto begegnet. Der am höchsten dotierte GM zeigte sich in einem Luxushotel mit fast 100 Zimmern. Er verdient ein Fixum von 254.000 Euro plus Bonus (total über 300.000 Euro).
Gibt es Unterschiede zwischen Privat – und Konzernhotellerie?
Unsere Analyse zeigt: Gehälter in der Privathotellerie werden oft nicht nur von logischen Prinzipien, sondern auch von der Eitelkeit des Eigentümers bestimmt. Beispiel: Der ehemalige Eigentümer des Grandhotels Bühlerhöhe, Max Grundig, lockte seine diversen Spitzenkräfte mit exorbitanten Gehältern, weil er die Eitelkeit und den Ehrgeiz besaß, die Chefs anderer Unternehmen auf die besten Managergehälter in der Luxushotellerie neidisch zu machen. Auf meine Frage nach seinen Gründen sagte er mir: „Ich, Max Grundig, kann mir das leisten!“ Das bereitete ihm großes Vergnügen. Er dachte: Wer besser bezahlt wird, der arbeitet besser. Erst sehr viel später musste er erkennen, dass das für den Profit seiner Betriebe nicht dienlich war. Aber das war ein Extrem. In der Regel hat die Privathotellerie sich inzwischen an die Konzernhotellerie angepasst. Letztlich zählt auch der jeweilige Marktwert eines GMs. Will man ihn wegen seiner hohen Reputation unbedingt haben, zahlt man in der Privathotellerie eher den entsprechenden Preis. Angebot und Nachfrage definieren wie im Yield Management den Preis. Das bestätigt sich deutlich bei Managern mit exzellentem Selbst-Marketing.
Der Anteil erfolgsabhängiger Vergütung habe stark zugenommen, sagen Sie. Hat sich dieses Instrument bewährt?
Eine wesentliche Ursache für diesen Trend war der Wunsch der Unternehmen, die fixen Personalkosten zu reduzieren und einen Ansporn für persönliche Performance zu geben. Doch bei näherer Betrachtung wird das Ziel nicht erreicht.
Warum nicht?
Aus der Psychologie wissen wir: Je wichtiger extrinsische Anreize werden, desto mehr verlieren intrinsische an Bedeutung. Mit jeder neuen Kennziffer, an der der persönliche Erfolg eines Managers gemessen wird, geht ein Stück seiner Motivation verloren. Man glaubte immer, dass Manager wie echte Unternehmer denken, wenn man sie an ihrem persönlichen Erfolg und Misserfolg beteiligt. So ist es aber nicht. Vielmehr richtet sie ihr Streben einzig und allein an den Kennziffern aus, statt am langfristigen Erfolg, wie es ein Unternehmer tut. Nehmen wir den Parameter GOP des Hotels. Daran gemessen könnte der GM sein Ziel erreichen, indem er die Personalkosten durch Kündigungen oder ausbeuterische Löhne reduziert, bei der Werterhaltung der Immobilie einspart oder die Lieferanten bis auf den letzten Rabattpunkt ausquetsch. Darunter leidet zwar die Reputation seines Hotels, aber er hat seine persönlichen Ziele erreicht und somit Anspruch auf seinen Bonus. Ist das fair? Der Sinn oder Unsinn dieser Vergütungsform wird nicht erst seit den Auswüchsen erfolgsabhängiger Boni von Investmentbankern immer wieder diskutiert.
Ihr Lösungsvorschlag?
Wir sollten Managern nicht unterstellen, dass sie es nur auf das Geld abgesehen haben. Die meisten wollen ihren Job gut machen. Daher halte ich es für die beste Variante, nur Fixgehälter zu bezahlen – mehr nicht. Die dürfen dann gern auch höher sein. Das heißt nicht, dass wir gänzlich auf die Kontrolle ihrer Performance verzichten. Schlechten Managern droht schließlich immer der Rauswurf, oder? Unternehmen wie die Deutsche Bahn und Bosch sowie zahlreiche andere haben inzwischen Erfolgskomponenten bei Managergehältern abgebaut. Ihr Statement: Eine Arbeitswelt 4.0, in der verstärkt auf Teamarbeit gesetzt wird, verbietet die Koppelung von persönlichen Boni an ein sogenanntes Performance-Management-System, weil Veränderungen immer rascher auftreten, nicht mehr von einem Einzelnen zu steuern sind und Bonus-Programme in der Regel von Egoismen, Misstrauen und Kontrolle geprägt sind.
Gibt es noch eine Möglichkeit?
Leistungsanreize werden nach dem Balance Score Card Prinzip an alle Mitarbeiter im Unternehmen ausgeschüttet – vom Spüler bis zum Vorstand. Das erfordert offene Kommunikation im Betrieb und fördert den Korpsgeist. Im Gegensatz zur alleinigen Bemessung nach finanzwirtschaftlichen Kennzahlen betrachtet die BSC verschiedene Perspektiven, zum Beispiel Gästezufriedenheit, Mitarbeiterorientierung, Prozessorientierung und das betriebswirtschaftliche Ergebnis. Der Zufriedenheitsgrad wird in allen vier präzise ermittelt. Er ist für alle Mitarbeiter nachvollziehbar. Erst, wenn alle vier Parameter erfüllt sind, gibt es eine Ausschüttung. Der Schlüsse für den Anteil wird vorher betriebsspezifisch festgelegt.
Wie werden sich Managergehälter nach der Corona Krise entwickeln?
Die Branche wird gebeutelt aus der Krise hervorgehen. Das legt eigentlich nahe, dass Manager ihre Gehaltsforderungen reduzieren müssten. Ich sehe aber nach Corona einen starken Nachfragedruck auf dem Führungskräftemarkt. Unternehmen werden, weil sie in der Krise eher Recruiting gestoppt, Leute sogar freigesetzt haben, nun wieder dringend Spitzenkräfte brauchen. Die Anforderungen an die Manager werden gleichzeitig steigen. Und das wird die Gehälter rasch wieder nach oben treiben.