Hotel digital – mit Algorithmen gegen die Corona-Krise?

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Hotel digital – mit Algorithmen gegen die Corona-Krise?

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connectedby – der neue Experten-Talk für die Hotellerie

Wenn es um die Digitalisierung geht, offenbaren sich rund um die Welt riesige Unterschiede – zwischen Ländern, Altersgruppen und Industrien. Aber ganz gleich, wie weit die Entwicklung wo und bei wem fortgeschritten ist – die Corona-Krise verleiht dem ohnehin allgegenwärtigen Megatrend zusätzliche Schubkraft. Das gilt offensichtlich auch in der Hotellerie – oder doch nicht? Kann sich die Branche die Algorithmen wirklich zunutze machen, um die Krise und ihre Konsequenzen zu bekämpfen? Rund um diese Frage entwickelte sich eine rasante Diskussion bei der Premiere des neuen Talk-Formats connectedby.

„Die Digitalisierung ist für uns ein bedeutendes Thema, wir als Branche haben einen großen Nachholbedarf“, nahm Andreas von Reitzenstein gleich zu Beginn des Talks kein Blatt vor den Mund. Der Vorstand und Chief Commercial Officer der H-Hotels AG sieht sein Unternehmen dabei gut gerüstet: „Wir haben in den vergangenen Jahren massiv in die Digitalisierung investiert. Das hilft uns in diesen Zeiten, voranzukommen.“

Doch die Digitalisierung ist ein weites Feld und hinterlässt im Detail viele Fragen. „Um digitale Fortschritte zu machen, benötigen wir immer auch ein größeres Investment. Und das will zurückverdient werden, was in der Krise eher schwierig ist“, meint Madeleine Marx. Die General Managerin des Hotels The Westin Hamburg in der Elbphilharmonie hat zudem Zweifel, ob die Klientel schon für alle möglichen Anwendungen bereit ist: „Nicht alle Gäste sind digital versiert.“ Beispiel Zutritt ins Gästezimmer: „Ich bin mir nicht sicher, ob es alle Besucher schaffen, die Tür via Smartphone zu öffnen“, so die erfahrene Managerin, die sich und die Branche vor einer „großen Herausforderung“ sieht und die rhetorische Frage in den Raum stellt: „Haben wir wirklich schon die Klientel, die mit der Digitalisierung und den entsprechenden Prozessen durchgängig klarkommt?“

Martin Stegner beobachtet unterdessen eine krisenbedingte Rasanz: „Die digitale Transformation wird durch Corona erheblich beschleunigt.“ Der Chief Information Officer der Gruppe Novum Hospitality: „Durch die Pandemie sind wir gezwungen, digitale Prozesse, die wir eigentlich erst für die Zukunft angesetzt hatten, jetzt schon anzustoßen.“

Aber längst nicht alle Marktteilnehmer scheinen schon fit für die digitale Zukunft. „Wir müssen gar nicht von Künstlicher Intelligenz, von Machine Learning oder Chatbots reden, wenn einige Hoteliers noch immer kein funktionierendes und für die Gäste kostenfreies WLAN anbieten können“, sagt Björn Vöhl. Der Senior Director Market Management für die Regionen DACH und Nordeuropa der Expedia Group: „Das sollte im Laufe der Pandemie ein für alle Mal der Vergangenheit angehören.“

Die Talker

Martin Stegner

ist Chief Information Officer der NOVUM Hospitality. Das Unternehmen gehört mit mittlerweile fast 190 Hotels zu den größten familiengeführten Hotelgruppen in Deutschland. Das Portfolio umfasst die Marken Novum Hotels, Select Hotels, the niu und Yggotel. Außerdem ist NOVUM Hospitality Franchisenehmer der InterContinental Hotels Group sowie von Accor, Best Western und Choice Hotels.

Andreas von Reitzenstein

ist Chief Commercial Officer und Vorstand der H-Hotels AG. Davor war er als Vice President Sales & Marketing bei Ramada Worldwide/Hospitality Alliance AG Deutschland. Zu den weiteren Stationen seiner Karriere gehören Marriott International, Romantik Hotels und Scandic Hotels. Von 2009 bis 2016 war von Reitzenstein Geschäftsführender Vorstand bei der HSMA Deutschland.

Madeleine Marx

ist General Managerin des Hotels The Westin Hamburg in der Elbphilharmonie. Zuvor leitete sie das Scandic Hamburg Emporio. Marx begann ihre Karriere in der Hotellerie mit einer Ausbildung im Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg. Nach Auslandserfahrungen in London, Paris und Boston inklusive eines Studiums zum Master in Hospitality Management an der ESSEC in Paris besetzte sie führende Positionen für Marriott und Renaissance in Hamburg.

Michael Jessing

ist Director Business Development der Realtech AG, die der Hotellerie IT-Lösungen auf der Basis Künstlicher Intelligenz (KI) anbietet. Zuvor war er Managing Director Central Europe der Hoist Group GmbH und verantwortlich für die DACH-Region (Deutschland, Österreich und Schweiz). Zu den weiteren Stationen seiner Karriere gehören unter anderem die Oracle Deutschland B.V. & Co. KG und die Micros-Fidelio GmbH.

Björn Vöhl

ist Senior Director Market Management DACH & Nordeuropa, Expedia Group.Er begann seine Karriere bei der Bertelsmann-Gruppe im Key-Account-Team für den Kunden Google. Anschließend wechselte er zur Egmont Media Group. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland leitete er den strategischen Einkauf bei Amazon Deutschland in einer der weltweit größten Kategorien.

Michael Jessing erkennt in der Corona-Krise allerdings „Gesprächsbedarf“ der Hotellerie, wenn es um das Thema Künstliche Intelligenz (KI) geht. Kein Wunder, glaubt der Director Business Development der Realtech AG: „Es gibt mittlerweile konkrete Ansätze und Lösungen für die direkte Anwendung von KI, die für die Branche sehr interessant sein können.“ Den Hoteliers nahe zu bringen, wo die Mehrwerte solcher Solutions liegen, sei zwar nach wie vor eine „Herausforderung“, die Branche hänge bei der Entwicklung im Branchenvergleich „ein Stück weit hinterher“. Dennoch oder gerade deshalb sei jetzt die Zeit zu handeln: „Die Technik ist weit genug. Es ist Zeit, über erste KI-Schritte im Hotel zu sprechen.“

connectedby

… ist der neue Experten-Talk für die Hotellerie. Die hochrangig besetzten Talk-Runden werden im Fernsehstudio aufgezeichnet. Videos, die wir über unsere News-Plattform cost-logis.de sowie über diverse Social-Media-Plattformen veröffentlichen, geben einen Einblick in die Diskussion und halten die wichtigsten Statements fest.

Wer sind die Talker? Um welche Fragen geht es? In Cost & Logis sowie auf cost-logis.de kündigen wir den kommenden Talk an. Einen ausführlichen Nachbericht finden Sie in der jeweils folgenden Ausgabe von Cost & Logis sowie zeitgleich auf cost-logis.de

Bei allem Fortschritt stellt sich die Frage: Wie viel Digitalisierung ist am Ende überhaupt gut für das People Business Hotellerie? Wird der Faktor Mensch, die persönliche Begegnung im Hotel angesichts zunehmender Automatisierung und in der Krise zusätzlich aufkommender kontaktloser Anwendungen und Abstandsregelungen an den Rand gedrängt? „Das Persönliche ist es, was uns als Hotel ausmacht“, sagt Marriott-Managerin Marx und fügt hinzu: „Ich als Mensch möchte trotz aller Digitalisierung, dass es im Hotel jemanden gibt, der mir sagt, wo ich am Abend einen tollen Drink nehmen kann.“ Auch H-Hotels-Vorstand von Reitzenstein stellt klar: „Wir stehen als Branche für exzellenten Service. Das ist unsere Stärke und die Bastion, die es zu verteidigen gilt.“ Auch Novum-Manager Stegner glaubt an die Bedeutung der Mitarbeiter: „Ein menschenloses Hotel wird es nicht geben.“ Der Chief Information Officer weiß aber auch um die Wichtigkeit des technischen Fortschritts: „Wir arbeiten an einem eigenen Sprachassistenten. Das ist die Zukunft. KI und Machine Learning sind in diesem Kontext wesentliche Faktoren.“

Mensch und Maschine stehen aber nicht zwangsläufig in Konkurrenz miteinander, wie Realtech-Manager Jessing erklärt. Im Gegenteil: „Es geht um das Management der Prozesse im Hintergrund. Dank KI und Machine Learning lässt sich die technische Infrastruktur, lassen sich Prozesse automatisieren. Und das spart enormes Geld, das wiederum für die weitere Digitalisierung der Hotels zur Verfügung steht. Außerdem bleibt auf diese Weise mehr Zeit für den Service am Gast.“ Schlüssel zum Erfolg ist für den Technologie-Profi der Einsatz von Service-Management-Plattformen, die vereinheitlichen und Prozesse zusammenführen: „Wenn ein Hotel 50 Schnittstellen verwalten muss und es dabei möglicherweise auch noch mit 50 verschiedenen Providern zu tun hat, dann ist der Aufwand gigantisch. Eine Plattform, die hilft, all dies zu integrieren, ist vor diesem Hintergrund natürlich äußerst interessant.“

Expedia-Manager Vöhl geht es bei aller Hard- und Software auch um die Vermittlung entsprechenden Wissens: „Die Digitalisierung fängt in den Köpfen der Mitarbeiter an.“ Expedia hat in der Krise die Expedia Academy lanciert, die Angestellten aus der Hotellerie die Chance bietet, sich digital weiter zu entwickeln. Themen wie zum Beispiel Datenanalyse und digitales Marketing stehen dort auf der Agenda.

So effizient, smart und fortschrittlich die Algorithmen auch sind, so wenig können sie teilweise ersetzen, was vor der Corona-Krise noch selbstverständlich war. Auch das gute alte Buffet nicht, das den Hygiene- und Abstandsregeln im Zuge der Pandemie zum Opfer fiel. General Managerin Marx ist aber vom Comeback des Klassikers überzeugt und fühlt sich und ihre Branche ungerecht behandelt: „Warum darf ich im Supermarkt zum Salat-Buffet gehen, im Hotel aber nicht? Dafür fehlt mir jedes Verständnis.“