„Schmalspur machen wir nicht mit“

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Exklusiv: NGG-Vize Siebert im Interview zur Ausbildung im Gastgewerbe

„Schmalspur machen wir nicht mit“

Der kürzlich erschienene Ausbildungsreport 2016 des DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) fällt für das Gastgewerbe mal wieder besonders schlecht aus. Cost & Logis sprach darüber mit Burkhard Siebert, Stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten.

Herr Siebert, was muss passieren, damit wieder mehr junge Menschen einen Beruf im Gastgewerbe statt in anderen Branchen starten wollen?

Qualität und Arbeitsbedingungen müssen verbessert werden. Der DGB-Ausbildungsreport spricht Bände. Zum Beispiel, wenn es um die vielen Überstunden geht, die nicht ausgeglichen werden oder wenn die mangelnde fachliche Qualität der Ausbildung im Gastgewerbe zur Sprache kommt. Im Vergleich zu anderen Gewerben sagen überproportional viele Auszubildende in der Branche, dass sie den Beruf gerne weiter ausüben wollen, aber bloß nicht in dem Betrieb, in dem sie gelernt haben. Das lässt auf einen unzureichenden Umgang mit den Auszubildenden in Hotellerie und Gastronomie schließen. Und das hat auch etwas mit fehlender Führungsfähigkeit zu tun. Daran sollte dringend gearbeitet werden.

Gilt das nicht auch für andere Branchen?

Offenbar nicht im selben Maße. Junge Menschen schauen genau hin, was sie erwartet, informieren sich über ihre beruflichen Perspektiven. Das Gastgewerbe ist ja leider auch ein Berufszweig, in dem Niedriglöhne weit verbreitet sind und in dem es eine im Branchenvergleich unterdurchschnittliche Tarifbindung gibt. In den östlichen Bundesländern unterliegen gerade mal ein Drittel der Betriebe der Branche einer tarifvertraglichen Vereinbarung, im Westen sind es 44 Prozent. Tendenz hier und dort: fallend. Vor diesem Hintergrund ist es ein Unding, dass der Dehoga seit mittlerweile eineinhalb Jahren Zwölf-Stunden-Arbeitsschichten fordert – also eine Verschlechterung ohnehin problematischer Arbeitsbedingungen. Das nehmen junge Menschen natürlich zur Kenntnis. Der Verband weiß sehr wohl, dass die Branche in der Ausbildungskrise steckt, findet aber keinen Weg hinaus. Im Gegenteil: Dadurch, dass er die Möglichkeit zur Mitgliedschaft ohne Tarifbindung einräumt, forciert der Dehoga den Negativtrend.

Wer auf den Internetseiten des Dehoga über das Thema Ausbildung liest, der bekommt ein anderes Bild.

Es steht dem Verband zu, die Situation besser darzustellen, als sie ist. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Innerhalb von knapp einer Dekade hat sich die Zahl der Auszubildenden im Gastgewerbe nahezu halbiert – nach unseren Zahlen von rund 107.000 im Jahr 2007 auf noch rund 57.000 im vergangenen Jahr. Das Interesse an einer Ausbildung im Gastgewerbe hat dramatisch nachgelassen. Viele Betriebe können Lehrstellen nicht mehr besetzen, die Zahl der offenen Stellen nimmt stetig zu. Auch die Vertragsauflösungsquote ist deutlich höher als in anderen Branchen, liegt bei 25 Prozent. Das heißt: Jeder Vierte Azubi bringt seine Ausbildung nicht zu Ende. Übrigens gilt das auch für Viele, die ihre Ausbildung abschließen. Sie sind ganz schnell weg, sobald sich eine Chance zum Wechsel in eine andere Branche ergibt.

Mangelt es an Führungsqualität?

Besonders mit den Arbeitszeiten gehen viele Verantwortlichen schludrig um. Nach dem Motto: Es muss lange gearbeitet werden – das ist eben so. Aber das ist mir zu einfach: Natürlich kann es in einem Beruf, in dem gearbeitet wird, wenn andere Menschen frei haben, mal länger werden. Aber das muss im Rahmen bleiben. Es mangelt am Bewusstsein für eine professionelle Arbeitszeitplanung. Und das ist eine Aufgabe für die Führungsebene.

Liegen lange Arbeitszeiten im Gastgewerbe aber nicht in der Natur der Sache?

Mit einer angemessenen Personalbesetzung lässt sich vieles verbessern. In der Planung der Arbeitszeiten sehen wir große Defizite. Viele Betriebe der Branche kommen ihrer unternehmerischen Verantwortung an dieser Stelle ganz einfach nicht nach.

In der Kritik steht auch die Ausbildungsvergütung. Sie sprechen es bereits an. Wie ist die Situation?

Das ist natürlich ein ständiges Thema. Ich lebe unter anderem in Heilbronn. Im Umfeld sind Unternehmen wie Audi, Südzucker und einige andere Industriegrößen vertreten. Wenn Sie potenziellen Azubis hier mit der Vergütung im Gastgewerbe kommen, dann ist das nicht gerade aussichtsreich, um es mal ganz vorsichtig zu formulieren.

Glauben Sie, dass die Zahl der Auszubildenden im Gastgewerbe in den kommenden Jahren wieder steigen wird?

Ich befürchte, dass sie weiter fällt. Wir sind mit dem Dehoga seit geraumer Zeit im Gespräch über eine Neuordnung der Ausbildung im Gastgewerbe. In vielen Punkten sind wir durchaus nah beieinander. Allerdings will der Verband das Thema der zweijährigen Schmalspurausbildungen deutlich vorantreiben. Und das machen wir nicht mit.

Was meinen Sie mit Schmalspurausbildungen?

Nehmen Sie die verschiedenen gastgewerblichen Berufe wie zum Beispiel den Hotelfachmann, den Koch oder etwa den Restaurantfachmann. Der Dehoga will in den ersten zwei Jahren dieser Ausbildungen eine stärkere Spezialisierung, aber als eine fokussierte Kurzausbildung für ein sehr spezifisches Thema. Wir sind der Meinung, dass es essenziell wichtig ist, die Verbindung zwischen den einzelnen gastgewerblichen Sparten zu erhalten, um das Gesamtverständnis für die Branche und die Situation in den Betrieben verstehen zu können. Durch stärkere Spezialisierung lassen sich die Nachwuchsprobleme der Branche ganz bestimmt nicht lösen. Sie führt dazu, dass die Chancen der Absolventen auf dem Arbeitsmarkt in der Breite verringert werden. Und das wird dann in der Tendenz dazu führen, dass sich noch weniger statt mehr Menschen für eine Ausbildung in der Branche interessieren.

Wagen Sie eine Prognose: Werden Berufe wie der Hotelfachmann oder der Koch im DGB-Ausbildungsreport 2017 mal nicht unter denen mit der am schlechtesten bewerteten Ausbildung rangieren?

Nein.