Philipp Hangartner (Foto) ist CEO von Swissfeel. Im Interview spricht er über die Qualität von Hotelbetten, ihre Bedeutung für das Business, Innovationen, Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Zwänge der Branche.
Hotelbetten sind wesentlich für das Wohlbefinden der Gäste. Dennoch legen nicht alle Hotels Wert auf gute Betten. Wie beurteilen Sie die Qualität?
In den wenigsten Hotels steht das Bett im Mittelpunkt der Betrachtung. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es bei Neubauten zumeist an der Reihe ist, wenn das Budget für die Investition mehr oder weniger verbraucht wurde. Das ist unglücklich, schließlich machen die Hotels das meiste Geld mit dem Zimmer und dem Bett – nicht mit der Minibar, dem Spa oder dem Restaurant. Die Hotelmanager sollten sich wieder bewusst darüber werden, dass das Bett Kernelement ihrer Leistung ist.
In Zeiten wirtschaftlicher Unwägbarkeiten setzen viele Hotels und Hotelgruppen auf einen rigiden Sparkurs, der auch die Qualität der Hotel-Betten beeinträchtigt. Können Sie das nachvollziehen?
Nachvollziehen kann ich es, verstehen nicht. Wenn die Hotellerie mehr Geld verdienen will, sollte sie in die Qualität ihrer Betten investieren. Das geschieht derzeit nicht. Westin hat in den 80er Jahren mal mit dem Heavenly Bed geworben, Six Senses kooperiert aktuell mit einem Schlafexperten. Aber das sind Ausnahmen.
Es gibt in diesem Bereich also keine echten Innovationen?
Dem möchte ich widersprechen. Wir bringen Innovatives auf den Markt. Zum Beispiel das Angebot, Matratzen waschen zu lassen. Aber wir sind wohl noch zu klein, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Inwieweit verlängert das Waschen der Matratzen deren Lebensdauer?
Dank des neuen Verfahrens lässt sich die Einsatzzeit einer Hotelmatratze verdreifachen. Die Materialien in unseren Matratzen sind grundsätzlich 15 bis 20 Jahre haltbar. Problematisch ist die Hygiene: Jeder Mensch hinterlässt beim Schlafen Haut, Haare und Schweiß. Das sammelt sich größtenteils in der Matratze, selbst wenn Hygienebezüge verwendet werden. Deshalb gab es bei Hotelstars für Matratzen, die älter als fünf Jahre waren, keine Punkte im Rahmen der Hotelklassifizierung. Weil nach dieser Zeit eine hygienisch nicht mehr zumutbare Belastung erreicht ist. Das ist plausibel, wenn man weiß, dass in dieser Zeitspanne 1.000 bis 1.500 Menschen auf ein und derselben Hotelmatratze übernachtet haben. Diese Matratzen müssen nun aber nicht länger entsorgt werden. Sie lassen sich bei uns waschen.
Das müsste ja im Grunde jeder Hotelunternehmer, der rechnen kann, in Anspruch nehmen.
Richtig. Aber in vielen Häusern führen Manager die Regie, die nach ein paar Jahren in der Direktion das Hotel wechseln. Sie setzen sich mit der langfristigen Rechnung nicht auseinander.
Lässt also das System Hotellerie an dieser Stelle im Grunde keine Nachhaltigkeit zu?
Im Grunde ist das richtig. Hotelgruppen arbeiten in der Regel mit Einkaufsorganisationen, die zum Ziel haben, günstiger zu kaufen als beim letzten Mal. Wenn wir nun kommen und sagen, dass unsere Matratzen in der Anschaffung zwar teurer sind, die Hotels aber dank der Möglichkeit, die Matratzen waschen lassen zu können, über die Zeit betrachtet zwischen 15 und 40 Prozent der Kosten sparen, dann entscheiden sich viele in der Branche dennoch für die kurzfristig günstigere Lösung – obwohl sie eben langfristig deutlich teurer ist.
Bedeutet also, dass Sie in erster Linie inhabergeführte Hotels von ihren Produkten überzeugen können, die auch übermorgen noch Verantwortung für den Betrieb tragen?
Ich möchte es so formulieren: Die Vorgabe muss von demjenigen Manager kommen, der das groß Ganze im Blick hat – ob Gruppe oder Individualhotel.
Wenn derzeit immer noch viele Matratzen entsorgt werden, die im Grunde noch haltbar wären: Wieviel Treibhausgas ließe sich durch nachhaltiges Management sparen?
Für die Hotellerie in Deutschland haben wir das mal gerechnet und sind auf rund zehn Millionen Tonnen CO2 im Jahr gekommen.
Sie erwägen den Launch von mattress as a service. Der Dienst würde es Hoteliers ermöglichen, Matratzen zu leihen statt zu kaufen. Noch ist es eine Idee. Wie kam sie zustande?
Die Frage ist: Warum muss das Hotel die Matratze überhaupt besitzen? Bettwäsche leihen sich die Hotelbetriebe zum überwiegenden Teil ja auch von Großwäschereien. Die Problematik: Hinter dem Hotelbett stehen verschiedene Entscheider und damit verschiedene Interessen: Da gibt es zum Beispiel den Investor, der das Bett samt Matratze stellt und den Betreiber, der sich um die Wäsche kümmert. Der eine sieht es als Investition, bei dem anderen sind es laufende Kosten. Und die Frage, bei wem die Kosten für das Waschen anfallen sollen, macht es kompliziert. Tatsächlich sind wir bereits gut im Leasing-Geschäft unterwegs, denn ein Großteil unseres Umsatzes wird von den Kunden über diesen Weg finanziert.
Welche Vorteile würde der neue Service bieten?
Wegfallende Investitionen für die Matratzen. Hoteliers könnten die Kosten über das laufende Budget abwickeln, was kostbare Liquidität bei der Anschaffung spart. Dazu kommt, dass die Matratzen regelmäßig auf ihren Zustand überprüft würden, eine Nachverfolgung sämtlicher Matratzen wäre dank unseres Logbuches problemlos möglich.
Logbuch Matratze: Wird Technologie beim Hotelbett zum Standard?
Ohne Frage. Mir ist aber auch bewusst, dass Innovationen, die wir in die Hotellerie hineinbringen, für die Branche ziemlich herausfordernd sind. Weil sie sich in den vergangenen 50 bis 70 Jahren auf diesem Gebiet im Grunde nicht weiterentwickelt hat. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Der letzte große Entwicklungssprung bei Matratzen war der vom Federkern zum Schaum. In Hotelmatratzen ist aber nach wie vor zu 80 bis 90 Prozent der Federkern verarbeitet. Dabei ließen sich mit Schaummatratzen 75 bis 80 Prozent der CO2-Belastung einsparen, die beim Einsatz von Federkernmatratzen anfallen. Die Verbraucher in Deutschland bevorzugen übrigens zu über 70 Prozent Schaummatratzen.
Haben Sie den Eindruck, dass die Hotellerie bereit ist, in Sachen Hotelbett umzudenken?
Ich vermute, Entscheidungsträger in der Branche werden der Bedeutung des Themas noch nicht gerecht. Die Hotellerie sieht sich derzeit vielen Herausforderungen gegenüber. Angesichts dessen fehlen Zeit und Geld, um sich mit der Sache grundlegend auseinanderzusetzen. Damit werden aber auch viele Chancen vertan: Beim Umwelt- und Gesundheitsschutz sowie in Sachen Wirtschaftlichkeit ließen sich Verbesserungen erreichen – für das Hotel als auch für die Gäste.
Philipp Hangartner …
… blickt auf eine langjährige Karriere im Bankwesen zurück, die er in seiner Heimat Schweiz als auch im Ausland verbrachte. Heute ist er Inhaber von Swissfeel. Das Unternehmen hat sich mit innovativen und nachhaltigen Konzepten einen Namen in der Übernachtungsindustrie gemacht. Hangartner ist davon überzeugt, dass nachhaltige Lösungen notwendig sind, um unsere Welt auch für nachfolgende Generationen lebenswert zu gestalten.

