Das Weihnachtsfest steht vor der Tür!

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Ein paar arbeitsrechtliche Gedanken – bevor das Jahr zu Ende ist

Liebe Leserinnen und Leser,

ETL ADHOGA freut sich, Ihnen die Kolumne „Alles was Recht ist“ zu präsentieren. Bei ETL ADHOGA sind die Experten für Steuerberatung in Hotellerie und Gastronomie. Deutschlandweit unterstützen und beraten wir mehr als 1.000 Hoteliers und Gastronomen, damit diese sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können. Gemeinsam mit meinem Kollegen Rechtsanwalt Dr. Uwe P. Schlegel möchte ich, Erich Nagl, Leiter bei ETL ADHOGA, Ihnen mit dieser Expertenkolumne auch in rechtlichen Fragen zur Seite stehen. Wir geben wertvolle Expertentipps und Empfehlungen, klären Missverständnisse auf und zeigen Ihnen, wie Sie Probleme mit Verwaltungen sowie Herausforderungen in der Praxis meistern können. Das Wort hat zuerst Dr. Schlegel:

Kommt es Ihnen auch so vor, dass dieses Jahr besonders kurz zu sein scheint? Zwar sind es noch ein paar Wochen bis zum Jahreswechsel. Dennoch: Die Zeit rast, und bevor es am Ende des Jahres knapp werden sollte, geben wir einen ersten Rückblick auf die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung des Jahres 2024. Zwei Urteile der Arbeitsgerichtbarkeit, die uns besonders interessant erscheinen, haben wir ausgesucht.

Richtig eklig – verdorbenes Obst und Gemüse aus der „Frische“-Theke

Unser erster Fall führt uns in die beschauliche Stadt Siegburg, einen Ort im Rheinland, unweit von Köln gelegen. Genauer gesagt: Es geht zum Arbeitsgericht Siegburg. Um den zugrundeliegenden Sachverhalt zu erfahren, zitieren wir am besten aus der Pressemitteilung des Gerichts vom 08.07.2024 (Arbeitsgericht Siegburg, Urteil vom 26.06.2024, Aktenzeichen 3 Ca 386/24):

„Der Kläger war bei dem beklagten Discounter seit sieben Jahren als stellvertretender Filialleiter beschäftigt und unter anderem für die Frischetheke zuständig. Bei einer Kontrolle durch die Regionalleitung wurde dort verdorbene Ware entdeckt. Dafür wurde der Kläger abgemahnt. Als bei einer weiteren Kontrolle wieder verschimmeltes Obst und Gemüse vorgefunden wurde, kündigte die Beklagte dem Kläger fristlos. Hiergegen erhob er Kündigungsschutzklage und behauptete, er habe die Frischetheke im Markt immer stichprobenartig kontrolliert. Dabei sei keine verschimmelte Ware aufgefallen.“

Dieser Sachverhalt kann mühelos auf einen Gastrobetrieb übertragen werden. Stellen wir uns nur einmal vor, es ginge nicht um die Frischetheke in einem Supermarkt, sondern um die Auslage in einem Frühstückscafé. An eben diesem Ort werden am späten Nachmittag unter der Verantwortung des stellvertretenden Serviceleiters belegte Brötchen angeboten, bei denen traurige Salatblätter auf halb acht hängen, und die ansatzweise erkennbare Salami wellt sich merklich in die entgegengesetzte Richtung…

Spannende Frage, die auch das Arbeitsgericht zu beantworten hatte: Rechtfertigt der geschilderte Sachverhalt nach einschlägiger vorheriger Abmahnung die außerordentliche und fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses? Wir zitieren noch einmal aus der Pressemitteilung des Gerichts:

„Mit Urteil vom 26.06.2024 gab das Arbeitsgericht Siegburg der Kündigungsschutzklage statt. Weder die fristlose noch die hilfsweise ausgesprochene fristgerechte Kündigung hielt es für gerechtfertigt. Der Kläger habe die Kontrolle der Ware in der Obst- und Gemüsetheke auf andere, ihm unterstellte Mitarbeiter, delegieren dürfen. Ein stellvertretender Filialleiter könne nicht alle Aufgaben selbst wahrnehmen. Dies habe zur Folge, dass der Kläger nur Stichprobenkontrollen habe durchführen müssen. Dass der Kläger seine stichprobenartigen Kontrollen nicht ordnungsgemäß durchgeführt habe, sei seitens des Discounters nicht dargelegt worden.“

Was heißt das für den Gastrobetrieb? Noch gar nichts. Denn da wird die Verteidigung für den stellvertretenden Serviceleiter unter Umständen erheblich schwieriger, vor allem dann, wenn er nicht über ihm untergeordnetes Personal verfügt und stattdessen vielleicht selbst und ganz allein für die Kontrolle der Auslage im Bistrobereich verantwortlich ist. Da könnte es dann mit der Kündigung schon eher klappen – wenn man denn auf den stellvertretenden Serviceleiter zukünftig verzichten möchte bzw. verzichten kann, was freilich eine ganz andere Frage ist.

Wer nicht hören will, muss fühlen!

In unserem zweiten Fall unternehmen wir eine Reise nach Düsseldorf, bekanntlich die Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen. Dem aus Köln stammenden Autor ist der Blick auf das andere Rheinufer zwar eher unangenehm, aber was soll‘s. Wir wollen sachlich bleiben. Der Sachverhalt, der vor dem Landesarbeitsgericht verhandelt wurde, ist – vereinfacht geschildert – von ergreifender Schlichtheit: Am Ende ging es darum, dass sich ein Maschinenführer geweigert hatte, eine von mehreren Maschinen zu bedienen (trotz dahingehender Weisung seines Vorgesetzten), was dann zu einer arbeitgeberseitigen außerordentlichen und fristlosen Kündigung, hilfsweise ordentlichen und fristgemäßen Kündigung geführt hatte.

Auch dieser Fall lässt sich ohne Weiteres auf die Hotellerie und Gastronomie übertragen. Der Restaurantleiter weist einen Mitarbeiter an, den Fußboden zu reinigen, eine Arbeitsaufgabe, die sich (hoffentlich!) auf den Arbeitsvertrag stützen lässt. Der Mitarbeiter weigert sich, mit der Fußbodenreinigung zu beginnen und lässt sich auch durch die Androhung einer Kündigung nicht dazu bringen, den Feudel zu schwingen.

Und was sagt das Landesarbeitsgericht zu dem ihm zur Entscheidung vorgelegten Fall (LAG Düsseldorf, Urteil vom 17.04.2024, Aktenzeichen 12 Sa 747/23)? Wir zitieren aus dem Urteil:

„Auch die teilweise unberechtigte und beharrliche Arbeitsverweigerung – hier an einer von vier zu bedienenden Maschinen – ist an sich ein Grund für eine fristlose als auch für eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung. Die Interessenabwägung führte im konkreten Fall zur Unwirksamkeit der fristlosen und zur Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung.“

Die schlechte Nachricht zuerst: Auch eine unberechtigte Arbeitsverweigerung muss nicht immer dazu führen, dass man als Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen kann. Die gute Nachricht: Für eine ordentliche – das heißt fristgemäße – Kündigung reicht es, jedenfalls im Regelfall. An dieser Stelle dürften sich der Maschinenführer und der Restaurant-Mitarbeiter vermutlich nicht wesentlich voneinander unterscheiden.

Und warum hat das Gericht die fristlose Kündigung als unverhältnismäßig und damit als unwirksam angesehen? Dazu schauen wir noch einmal in die Begründung des Urteils, wo es wörtlich heißt:

„Der Beklagten war die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile gleichwohl bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (…) zumutbar. (…) Es ist zu prüfen, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist. In einer Gesamtwürdigung ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen (…). Die Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung ist stets aufgrund einer umfassenden Würdigung aller im Einzelfall für die zukünftige Vertragsdurchführung relevanten Umstände zu prüfen. Dazu gehören auch die bisherigen und zukünftig zu erwartenden Auswirkungen einer Pflichtverletzung (…). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (…). Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten, schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses, positiv beeinflusst werden kann. Eine außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzt deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar –  ausgeschlossen ist (…). In Anwendung dieser Grundsätze ist eine fristlose Kündigung unverhältnismäßig und der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zuzumuten. (…).“

Puuuh, das ist schwere juristische Kost! Aber immerhin, so viel haben wir mitgenommen: Es ist eben der Einzelfall, der für den Ausgang des Rechtsstreits entscheidend ist. Da helfen übrigens auch kein Google oder künstliche Intelligenz!

Was sagen Sie, Kollege Nagl?

Immer mit der Ruhe!

Wenn ich Ihnen so zuhöre, Dr. Schlegel, gewinne ich den festen Eindruck, eine fristlose Kündigung habe nur in extremen Fällen überhaupt eine Chance. Also immer nur dann, wenn der Arbeitnehmer eine so gravierende Pflichtverletzung begeht, dass dem Arbeitgeber (und dessen Team) eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar sei.
Eigenes Empfinden spielt dabei keine Rolle, auch wenn Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sich schützend vor die Gäste oder die anderen Mitarbeitenden stellen möchten. Zumutbarkeit muss stets im Einzelfall von Richtern geprüft und abgewogen werden. Eine Abmahnung ist in der Regel sinnvoll, um dem Arbeitnehmer eine Chance zur Besserung zu geben. Nur wenn die Abmahnung offensichtlich sinnlos oder der Fehler irreparabel ist, kann darauf verzichtet werden. Es empfiehlt sich daher, Rechte und Pflichten in Arbeitsverträgen klar zu definieren und beiderseits auf deren Einhaltung zu achten. Abmahnungen, ordentliche Kündigungen und fristlose Kündigungen sollten bitte nur nach sorgfältiger Prüfung ausgesprochen und schriftlich vollzogen werden.

Herzlichst,

Ihr Erich Nagl