Juan A. Sanmiguel ist Gründer und CEO der Firma Hotelbird. Im Interview spricht er über die Guest Journey der Zukunft, veränderte Bedürfnisse der Gäste und die zunehmende Bedeutung von Künstlicher Intelligenz für den Hotelbetrieb.
Herr Sanmiguel, Sie haben die Zusammenarbeit mit Ihren Partnern neu aufgestellt. Welche Vorteile ergeben sich daraus für die Hotellerie?
Wir haben die Zahl der Schnittstellen von über 50 auf etwa 20 verringert und sagen „Nein zu Legacy“. In der Konsequenz haben wir Partnerschaften mit On-Premise-Systemen, Legacy-PMS-Systemen, älteren Schließ- und Payment-Systemen beendet. Die verbliebenen Partner haben sich zu hoher Produktqualität verpflichtet, was eine tiefere technologische Integration ermöglicht.
Wie nimmt der Markt die neue Aufstellung an?
Früher waren die Anfragen oberflächlich. Beispielsweise: „Könnt ihr den Online-Check-in-/Check-out-Prozess für unsere Gäste digitalisieren?“. Heute erreichen uns eher Fragen wie etwa: „Wie hochgradig könnt ihr die Prozesse innerhalb eines Online-Check-in/Check-out auch fürs Hotel digitalisieren? Wie geht ihr im Pre-Payment mit dem Verbuchen unterschiedlicher Steuersätze um? Werden private und geschäftliche Leistungen automatisch voneinander getrennt und als getrennte Rechnungen verschickt? Und erfüllt ihr die Fiskalisierungs- und rechtlichen Anforderungen verschiedener Länder? Die Gespräche mit Hotelbetreibern und IT-Managern sind deutlich technischer geworden. Das technologische Wissen hat sich erheblich verbessert, da sich die Hotels damit immer mehr auseinandersetzen müssen.
Inwieweit können Sie mit Ihren Angeboten dazu beitragen, dass die Hotels ihre Wirtschaftlichkeit wieder in den Griff bekommen?
Technologie ist der größte Hebel für die Steigerung der Profitabilität von Hotels. Sie verringert Prozesskosten durch Automatisierung und steigert Umsätze durch verbessertes Upselling, eröffnet neue Möglichkeiten, Serviceleistungen zu vermarkten. Hotels ohne passende Infrastruktur leiden unter ineffizienten Prozessen und müssen die mangelnde Effizienz durch Personal ausgleichen, was zu unnötigen Kosten führt. Technologie ermöglicht Hoteliers personalisiertes Marketing.
Wie weit ist die Entwicklung beim Thema Online-Check-in beziehungsweise Online-Check-out in der deutschsprachigen Hotellerie vorangeschritten?
Seit der Pandemie hat die Entwicklung Fahrt aufgenommen. Viele Hoteliers wechseln von On-Premise-Systemen in die Cloud. Andere nutzen noch Legacy-Systeme, wandern aber gleichzeitig in die Cloud. Erst durch diesen Wandel wird echte Digitalisierung und Automatisierung möglich.
Hat sich das Thema Online-Check-in/Online-Check-out in der Hotellerie wirklich durchgesetzt?
Ja, das hat sich etabliert. Hotels mit cloudbasierten Systemen haben bereits Check-in/Check-out-Produkte im Einsatz. Die Nutzungsrate unter den Gästen ist von etwa 30 Prozent vor der Pandemie auf jetzt etwa 65 Prozent gestiegen. In manchem Hotel nutzen es sogar 80 bis 100 Prozent der Gäste.
Wie viel Prozent der Hotels in Deutschland können diesen Service anbieten?
Etwa 70 bis 80 Prozent der Hotels können das noch nicht. Viele Hotels haben zwar Check-in-Lösungen, die aber nicht oder nicht zufriedenstellend funktionieren. Denn viele PMS-Systeme sind nicht in der Lage, die Qualitätsansprüche an Digitalisierung und Automatisierung zu erfüllen.
Ist die Möglichkeit zum digitalen Check-in ein Buchungskriterium für Gäste?
Ja. Wer sich an einen digitalen Check-in-Prozess gewöhnt hat, sucht nach Hotels mit diesem Service. In der Luftfahrt werden Gäste teilweise mit Gebühren bestraft, wenn sie nicht online einchecken. Dies könnte in der Hotellerie auch kommen, da Hotels kaum noch Personal finden können.
Wie verbreitet ist die Möglichkeit, per Smartphone die Tür des Hotelzimmers öffnen zu können?
Die meisten Schließsysteme basieren auf RFID- beziehungsweise NFC-Technologie, die von Apple Wallet und Google Wallet genutzt wird, um Türen per Smartphone zu öffnen. Die Firmen Assa Abloy und Dormakaba unterstützen diese Technologie in ihren Schließsystemen und haben jeweils Hotelbird ausgewählt, um den NFC Wallet Key für Hotelkunden umzusetzen. Bei älteren Schließsystemen muss das Schloss ausgetauscht werden, neuere Modelle sind bereits kompatibel. Wir wollen innerhalb von zwölf Monaten 10.000 Zimmer ausstatten.
Wie groß ist die Rolle, die KI in Ihrem Tagesgeschäft spielt?
KI ist unverzichtbar geworden. Jeder Mitarbeitende bei Hotelbird hat einen KI-Zugang. Durch Einführung und Schulungen konnte die Produktivität massiv gesteigert werden. Für Gäste wird KI vor allem in der Kommunikation eingesetzt: für Rechtschreibkorrektur, grammatikalische Verbesserungen, automatische Sprachübersetzung und zur Beantwortung einfacher Fragen wie zu den Öffnungs- oder Frühstückszeiten.
Wie schaffen Sie es, sich in einem kompetitiven Wettbewerbsumfeld von der Konkurrenz abzuheben?
Durch Spezialisierung auf wenige Partner und tiefe Integration, um höchste Produktqualität zu erreichen. Viele Wettbewerber haben zahlreiche Partner, um mehr Reichweite zu bekommen. Aber das führt zu Qualitätsproblemen. Die Entwicklung und Pflege vieler Schnittstellen ist ausgesprochen aufwendig. Hotelbird hebt sich durch Spezialisierung, die Qualität der Funktionen und den Fokus auf Hotelketten hervor.
Welche Ziele haben Sie sich für die nächsten Jahre gesteckt?
Unser Ziel ist, über die europaweit tiefste technologische Integration zu verfügen und damit das beste Produkt anbieten zu können. Eines, mit dem die Hoteliers ihre Profitabilität steigern und ihren Gästen eine komplett digitale Kundenreise ermöglichen können.

