Ein Weckruf für Unternehmer – alles rund um die Trennungsphase
Liebe Leserinnen und Leser,
ETL ADHOGA freut sich, Ihnen die Kolumne „Alles was Recht ist“ zu präsentieren. Bei ETL ADHOGA sind die Experten für Steuerberatung in Hotellerie und Gastronomie. Deutschlandweit unterstützen und beraten wir mehr als 1.000 Hoteliers und Gastronomen, damit diese sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können. Gemeinsam mit meiner Kollegin, Rechtsanwältin Aigerim Rachimow, möchte ich, Erich Nagl, Leiter bei ETL ADHOGA, Ihnen mit dieser Expertenkolumne auch in rechtlichen Fragen zur Seite stehen. Wir geben wertvolle Expertentipps und Empfehlungen, klären Missverständnisse auf und zeigen Ihnen, wie Sie Probleme mit Verwaltungen sowie Herausforderungen in der Praxis meistern können. Das Wort hat zuerst Aigerim Rachimow:
Willkommen im Dschungel des Arbeitsrechts, wo Loyalität so rar ist wie ein Steak in einem Veganer-Café! In der Hotellerie und Gastronomie geht es dynamisch zu – man könnte fast sagen, es herrscht ein wilder Balztanz um die besten Talente.
Abwerbungen von Mitarbeitern – eine rechtliche Bewertung
Das Landgericht Koblenz hat kürzlich ein Urteil (Az. 11 O 12/24, 17. September 2024) gefällt, das die Grenzen der Loyalität und den Wettbewerb zwischen Firmen neu definiert. Hier ging es heiß her: Eine Firma für stationäre Brandschutzsysteme klagte gegen einen Konkurrenten, weil dieser angeblich gezielt Mitarbeiter abgeworben hatte. Dabei kamen Tricks wie Prämienzahlungen und kostenfreie Rechtsberatung zum Einsatz.
Die Klage richtete sich konkret gegen die „Abwehrpraktiken“. Etwa 25 Mitarbeiter hatten ursprünglich beschlossen, zur klagenden Partei zu wechseln, entschieden sich jedoch um, nachdem ihnen von ihrem bisherigen Arbeitgeber Anreize geboten wurden, darunter eine Prämienzahlung und kostenfreie Rechtsberatung.
Die Klägerin sah darin eine gezielte Behinderung ihrer Geschäftstätigkeit und beantragte eine einstweilige Verfügung gegen die Abwerbung der Mitarbeiter.
Das Gericht jedoch, cool wie ein erfahrener Barkeeper, servierte die Klage ab. Warum? Weil das Abwerben von Mitarbeitern an sich völlig legal ist, solange es nicht unfair ist. Laut § 4 Nr. 4 UWG müssen schon ziemlich miese Tricks gespielt werden, damit es als unlauter gilt. In diesem Fall konnte die Klägerin nicht darlegen, dass derartige vorlagen, wie etwa eine Verleitung zum Vertragsbruch oder der ausschließliche Zweck der wirtschaftlichen Schädigung des Konkurrenten.
Lehren für Gastronomen und Hoteliers
Dieses Urteil ist wie eine frische Brise für Unternehmer, die in der stürmischen See der Hotellerie und Gastronomie segeln. Es zeigt, dass man durchaus aggressiv um die besten Leute werben darf, solange man sich an die Spielregeln hält. Dies eröffnet Möglichkeiten, wechselwillige Mitarbeiter mit kreativen Anreizen zu ködern, solange man sich nicht in rechtliche Grauzonen begibt.
Sollten Mitarbeiter abgeworben worden sein und zu einem neuen Arbeitgeber wechseln, sollten Arbeitgeber überlegen, welche Anreize sie dennoch bieten können, um wechselwilligen Arbeitnehmern den Verbleib schmackhaft zu machen, dies ggf. auch mittels des Angebots zur Rechtsberatung, um aus bereits geschlossenen Verträgen rauszukommen oder ggf. sogar vereinbarte Vertragsstrafen zu übernehmen.
Aber was, wenn der Mitarbeiter sich trotzdem trennen möchte? Oft folgt dann die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – der klassische Zug nach einer Kündigung.
Arbeitgeber fragen sich daher häufig zu Recht: Muss ich für die Krankheit während der Kündigungsfrist auch noch Entgeltfortzahlungen leisten? Angesichts der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) hielten viele Arbeitgeber es für zulässig, die Entgeltfortzahlung bei einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im zeitlichen Zusammenhang mit einer Kündigung einzustellen.
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und ärztliche Zeugenaussage im Kündigungsfall
Hier hat das Arbeitsgericht Berlin ein interessantes Urteil gefällt, das zeigt, wie schwierig es ist, die Echtheit einer Krankmeldung anzuzweifeln.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. März 2024 (Az.: 22 Ca 8667/23) bezieht sich auf den Fall einer Reinigungskraft, die während ihrer Kündigungsfrist krankheitsbedingt ausfällt. Der Arbeitgeber hatte Zweifel an der Gültigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, da die Klägerin kurz zuvor Urlaub beantragt hatte, um ihre Familie zu besuchen, was jedoch abgelehnt worden war. Direkt nach dieser Warnung meldete sie sich krank und legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 22. Mai bis zum 15. Juni 2023 vor.
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen: Ein Dschungel für sich
Wenn der Arbeitnehmer direkt nach einer abgelehnten Urlaubsanfrage krank wird, klingeln zwar die Alarmglocken, aber das Gericht sagt: Die Krankschreibung gilt erst mal!
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) besteht ein hoher Beweiswert für die Richtigkeit einer ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Das Gericht stellte klar, dass diese grundsätzlich nur erschüttert werden kann, wenn der Arbeitgeber substanzielle Zweifel an der Bescheinigung nachweisen kann. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitgeber aufgrund der zeitlichen Nähe zwischen der Kündigung und der Krankmeldung der Arbeitnehmerin berechtigte Zweifel an der Authentizität der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
Im Urteil wurde der Klägerin der Zahlungsanspruch zugesprochen, da das Gericht nach der Vernehmung des Arztes von einer echten Arbeitsunfähigkeit (aufgrund einer Erschöpfungsdepression) überzeugt war.
Das Urteil macht erneut klar: Wenn der Arzt sagt, dass der Mitarbeiter nicht arbeiten kann, dann kann er nicht – es sei denn, der Arbeitgeber kann echte Zweifel belegen. Und falls man wirklich misstrauisch ist, darf die Echtheit der Bescheinigung geprüft werden, indem der Arzt als Zeuge vor Gericht geladen und vernommen werden kann. Damit ist der Arzt als zentrale Informationsquelle anzusehen, um die Plausibilität und die medizinische Notwendigkeit der attestierten Arbeitsunfähigkeit objektiv einzuschätzen.
Diese Zeugenvernehmung kann insbesondere dann relevant sein, wenn Zweifel am medizinischen Befund bestehen, etwa wenn der Arbeitsunfähigkeitszeitraum unüblich lang erscheint oder die Bescheinigung auf eine Diagnose ohne erkennbare Zusammenhänge zur tatsächlichen Tätigkeit verweist. Das Gericht führt aus, dass eine solche Vernehmung darauf abzielen muss, festzustellen, dass die Untersuchung durch den Arzt im Einklang mit der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (AU-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses steht.
Abwerbemethoden von Unternehmen und Krankschreibungen von Arbeitnehmern: Welche Schlussfolgerungen sollte Ihre Branche daraus ziehen, Kollege Nagl?
Ich schließe – für einen Nicht-Juristen untypisch – mit einem Plädoyer: Ein Schlusswort für mehr Anstand und Würde. Zwei in die Jahre gekommene Begriffe, die in unserer von Egoismus geprägten Welt unter die Räder gekommen sind. Ein Wechsel von Mitarbeitern zum Mitbewerber kann viele Ursachen haben. Auf der Arbeitgeberseite löst der gleiche Sachverhalt entweder ein negatives oder ein positives Gefühl aus – je nachdem, ob man der verlassene oder der neue Arbeitgeber ist. Doch ist ein Arbeitgeber nie machtlos und kann etwas tun. Unwürdiges oder unanständiges Verhalten muss sich niemand gefallen lassen und Aigerim zeigt Möglichkeiten mit Signalwirkung auf.
Ich sehe aber auch großes Potenzial in der Prävention. Schaffen Sie eine positive und unterstützende Arbeitsumgebung. Fördern Sie Teamarbeit, Wertschätzung und Anerkennung für gute Leistungen. Investieren Sie in die Weiterbildung und Entwicklung Ihrer Mitarbeiter. Unternehmen, die die Unternehmensziele, Veränderungen und Entwicklungen mit ihren Mitarbeitern teilen, also „mitteilen“, schaffen Vertrauen und fördern die Loyalität. Die meisten Mitarbeiter wollen Bedeutung in der Sache haben und richten ihre Aktivitäten dahingehend aus, wo Anerkennung zu erwarten ist.
Die Hotellerie steht für so viel Positives und geht den Menschen nah. Von hier aus sollte Anstand als Grundpfeiler eines respektvollen Miteinanders in die Gesellschaft getragen werden, von Arbeitgeber zu Arbeitnehmer, von Gastgeber zu Gästen und von Hotelier zu Hotelier. Mehr Anstand bedeutet nicht nur, andere zu respektieren, sondern auch uns selbst.
Herzlichst,
Ihr Erich Nagl