Personal dringend gesucht!

Personal dringend gesucht!

Arbeitsrechtliche Instrumente zur Findung und Bindung von Arbeitnehmern unter der Lupe

Liebe Leserinnen und Leser,

ETL ADHOGA freut sich, Ihnen die Kolumne „Alles was Recht ist“ zu präsentieren. ETL ADHOGA sind die Experten für Steuerberatung in Hotellerie und Gastronomie. Deutschlandweit unterstützen und beraten wir mehr als 1.000 Hoteliers und Gastronomen, damit diese sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können. Gemeinsam mit meinem Kollegen Rechtsanwalt Dr. Uwe P. Schlegel möchte ich, Erich Nagl, Leiter bei ETL ADHOGA, Ihnen mit dieser Expertenkolumne auch in rechtlichen Fragen zur Seite stehen. Wir geben wertvolle Expertentipps und Empfehlungen, klären Missverständnisse auf und zeigen Ihnen, wie Sie Probleme mit Verwaltungen sowie Herausforderungen in der Praxis meistern können. Das Wort hat zuerst Dr. Schlegel:

Am Anfang steht eine Erkenntnis

Vielleicht haben Sie den scheinbar altklugen Satz schon einmal gehört:

Es gibt genügend Arbeitskräfte in Deutschland, nur nicht für jeden Arbeitgeber.

Der Autor dieser Zeilen nimmt für sich in Anspruch, einer der ersten gewesen zu sein, der es gewagt hat, diesen Satz öffentlich zu äußern. Mit diesem Ausspruch soll niemand verärgert werden; er ist wichtig, denn er verdeutlicht, worum es bei der oft mühsamen Suche nach gutem Personal im Kern geht: Arbeitgeber stehen aktuell und auch nicht erst seit gestern in einem knallharten Wettbewerb um Arbeitskräfte. Die Frage lautet also: Wie gewinne ich den Wettbewerb um die Besten, wie bestehe ich in der Auseinandersetzung um die zumindest am besten Geeigneten? Darauf wollen wir im Folgenden ein paar Antworten aus – auch – arbeitsrechtlicher Sicht geben.

Vertrauen Sie Ihren Gefühlen

Starten wir mit einem im Ansatz wenig juristischen Thema. Es geht um Gefühle. Genau genommen um das Gefühl, das Sie haben, wenn der Bewerber um den Job vor Ihnen sitzt und mit Ihnen spricht. In doch leider recht zahlreichen Fällen beschleicht den potenziellen Arbeitgeber schon nach wenigen Minuten das untrügliche Gefühl, dass der Bewerber einem nicht gut tun wird. Und was passiert (leider) häufig trotz alledem? Man entschließt sich schweren Herzens zur Einstellung. Warum? Ganz einfach. WEIL KEIN ANDERER DA IST! Dennoch ist das keine kluge Entscheidung, denn häufig passiert genau das, was zu befürchten war. Aus dem Aschenbrödel wird anders als im Märchen keine Prinzessin, aus dem Hans-Guck-in-die-Luft kein umsichtiger Mitarbeiter, dem man seine Gäste und seinen Warenbestand anvertrauen kann. Mit anderen Worten: So schnell wie die Person eingestellt wurde, so schnell muss sie dann wieder an die frische Luft befördert werden. Und das bringt nicht selten arbeitsrechtliche Themen mit sich: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsabgeltung, Kündigungsschutz, Kassenfehlbestände und in dem Zusammenhang die Frage, wie man wieder an sein Geld kommt, um nur einige wenige Dinge zu erwähnen. Hätte man sich das nicht besser ersparen sollen, um nicht zu sagen ersparen müssen? JA!

Praxistipp Nr. 1: Bitte niemanden einstellen, den man sich nicht wenigstens vorübergehend als Mitarbeiter vorstellen kann!

Verlängerte Kündigungsfristen

Manche Arbeitgeber verfallen auf die „geniale“ Idee, bei scheinbar oder auch tatsächlich guten Mitarbeitern die Kündigungsfristen für die arbeitnehmerseitige Kündigung nach Ablauf der Probezeit zu erhöhen, beispielsweise auf drei Monate zum Monatsende. Das ist (arbeits-)rechtlich durchaus zulässig. Die Frage aber ist, ob das auch eine gute, eine kluge Entscheidung ist. Die Antwort des Praktikers auf diese Frage lautet: NEIN! Warum? Ganz einfach. Es gibt – etwas vereinfacht – nur drei Möglichkeiten. Möglichkeit 1: Der Mitarbeiter ist wirklich richtig gut und dann in aller Regel auch treu. Dann stellt sich die Frage nach der Kündigung durch diesen Arbeitnehmer nicht, denn dieser Mitarbeiter bleibt und arbeitet einfach immer weiter. Möglichkeit 2: Möchte der (gute) Arbeitnehmer – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr länger für seinen bisherigen Arbeitgeber arbeiten, hilft einem die längere Kündigungsfrist zumeist gar nichts. In vielen Fällen erscheint der Arbeitnehmer nicht mehr zur Arbeit, kündigt einfach mit kürzerer Frist, wogegen arbeitsrechtlich wenig unternommen werden kann oder – beinahe der schlimmste Fall! – der Arbeitnehmer „rettet“ sich in eine längere Krankheit. Apropos „schlimmster Fall“. Noch schlimmer ist es bei Möglichkeit 3. Dort handelt es sich bei dem betreffenden Mitarbeiter um einen ausgesprochenen Low-Performer, sprich einen Totalausfall. Da die Kündigungsfrist immer nur für beide Vertragsparteien zugleich verlängert werden kann, bedeutet das in diesem Fall, dass man sich trotz arbeitgeberseitiger Kündigung noch auf eine längere „Auslauffrist“, mithin ein langes und teures Leiden gefasst machen muss.

Praxistipp Nr. 2: Verlängerte Kündigungsfristen sind in aller Regel keine gute Idee!

Der Verzicht auf die Probezeit

Jetzt kommt ein scheinbar verwegener Vorschlag: Verzichten Sie doch einfach mal auf die Probezeit! Viele Arbeitgeber meinen irrtümlich, dass sie dann auf den in den ersten sechs Monaten dringend benötigten Kündigungsschutz verzichten würden. Aber das ist nicht der Fall! Das Kündigungsschutzgesetz gilt in den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses nicht, Probezeit hin, Probezeit her (man spricht von der sog. Wartezeit, siehe dazu auch § 1 Abs. 1 KSchG). Selbst der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen beginnt erst nach Ablauf von sechs Monaten, gerechnet ab Beginn des Arbeitsverhältnisses. Und der Schwangerschaft kann ich durch eine Probezeit auch nicht „vorbeugen“, denn der Schutz schwangerer Mitarbeiterinnen setzt schon mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages ein. Also: Wo ist das Risiko? Einziger Nachteil eines Verzichts auf die Probezeit ist die etwas längere Kündigungsfrist. Statt zwei Wochen zum Ende eines jeden Tages gilt eine Frist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines jeden Monats. Deshalb empfiehlt sich der Verzicht auf die Probezeit auch nur in den Fällen, in denen man einigermaßen sicher ist, einen brauchbaren, um nicht sagen einen guten Mitarbeiter gewinnen zu können.

Praxistipp Nr. 3: In dafür geeigneten Fällen, sollte man über einen Verzicht auf die Probezeit nachdenken!

Vertragsstrafen einbauen

Es gibt manche Arbeitgeber, die handeln nach dem Motto „Wer nicht hören will, muss eben fühlen“. Ganz konkret kann man das in einem Arbeitsvertrag beispielsweise wie folgt formulieren (bitte festhalten, jetzt kommt ein längerer Text!):

Ei­ne Kün­di­gung vor Dienst­an­tritt ist für beide Seiten aus­ge­schlos­sen. Nimmt der Arbeitnehmer vorsätzlich oder fahrlässig die Arbeit nicht oder verspätet auf, löst er das Arbeitsverhältnis vorsätzlich oder fahrlässig ohne Einhaltung der geltenden Kündigungsfrist auf, veranlasst er vorsätzlich oder fahrlässig die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber, verstößt er gegen seine Verschwiegenheitsverpflichtung, übt er eine unerlaubte Nebenbeschäftigung aus oder verstößt er gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot, so hat er dem Arbeitgeber eine Vertragsstrafe nach Maßgabe der folgenden Vorschriften zu zahlen: 

  • Für den Fall des verschuldeten Nichtantritts der Arbeit beträgt die Vertragsstrafe das Bruttoarbeitsentgelt, welches der Arbeitnehmer bei Einhaltung der Mindestkündigungsfrist unter Berücksichtigung der regelmäßigen Arbeitszeit erhalten hätte.
  • Für den Fall der verschuldet verspäteten Arbeitsaufnahme beträgt die Vertragsstrafe für jeden Tag der verspäteten Arbeitsaufnahme das auf den Tag unter Berücksichtigung der regelmäßigen Arbeitszeit entfallende Bruttoentgelt.
  • Für den Fall der durch den Arbeitnehmer verschuldeten Auflösung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der geltenden Kündigungsfrist oder der vom Arbeitnehmer vorsätzlich oder fahrlässig veranlassten Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber beträgt die Vertragsstrafe ein unter Berücksichtigung der regelmäßigen Arbeitszeit zu berechnendes Bruttomonatsgehalt. Maximal beträgt die Vertragsstrafe jedoch das Bruttoarbeitsentgelt, welches der Mitarbeiter unter Berücksichtigung der regelmäßigen Arbeitszeit bei Einhaltung der geltenden Kündigungsfrist erhalten hätte.“

Ist das eine gute Idee? Na ja. Eher NEIN. Warum? Nun, ein Arbeitnehmer, der die Arbeit nicht antreten möchte, erscheint nicht, Vertragsstrafe hin, Vertragsstrafe her. Und das Gleiche gilt bei der Kündigung ohne Beachtung der an sich maßgeblichen Kündigungsfrist. Reisende soll man ja bekanntlich nicht aufhalten und man kann es auch nicht. Im Übrigen: Welcher Arbeitgeber möchte schon wegen ein paar Euros auf eigene Kosten zum Arbeitsgericht rennen? Und davon kommt der Arbeitnehmer auch nicht wieder bzw. erscheint zur Arbeit.

Praxistipp Nr. 4: Auf Vertragsstrafenregelungen im Arbeitsvertrag sollte man besser verzichten!

Was sagen Sie, Kollege Nagl?

Auf das Menschenbild kommt‘s an

Chapeau, Dr. Schlegel! Nur ein Jurist, der sein Fach zur Meisterschaft geführt hat, ist zu einem solch differenzierten Blick auf die Dinge in der Lage. Liebe Hoteliers, liebe Mitmenschen: Die Wandlung vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt lässt sich anhand der Gestaltung der Arbeitsverträge besonders deutlich nachvollziehen. Blättere ich in meinem Archiv der Verträge früherer Arbeitgeber, so wundere ich mich – was haben wir damals alles geschrieben und unterschrieben! Es bleibt die Erkenntnis: Wer mit seinen Mitmenschen in der Rolle als Arbeitnehmer gut umgeht, fährt seit jeher besser als andere. Wer versucht, mit juristischem Druck Verhaltensänderungen herbeizuführen, wird – wenn überhaupt – nur kurzfristigen Erfolg haben. Am Ende gilt: Mit einem Arbeitsvertrag dokumentieren Arbeitgeber ihre Gesinnung und ihr Menschenbild gegenüber ihren Arbeitnehmern. Im Guten wie im weniger Guten. Entscheiden Sie sich.

Herzlichst,

Ihr Erich Nagl