Herr Schaller, Sie leiten bei Union Investment mittlerweile das Asset Management Intercontinental und sind in dieser Funktion neben der Nutzungsart Hotel auch für die Themen Büro, Einzelhandel und Logistik verantwortlich. Wie entwickeln sich die Immobilienmärkte weltweit?
Die Immobilienmärkte zeigen nicht nur regionale und sektorale Unterschiede, sie entwickeln sich auch auf den Nutzer- und Investmentmärkten sehr unterschiedlich. So sehen wir beispielsweise bei Vermietungen von Hotels oder Büros in Deutschland trotz der schwachen Nachfrage am Investmentmarkt ein großes Mieterinteresse an hochwertigen und ESG-konformen Objekten im Bestand, da neue Projektentwicklungen immer schwieriger zu realisieren sind. Um die Performance unserer Fonds zu optimieren, ist es entscheidend, solche Vermietungschancen und die sich daraus ergebenden Potenziale wie etwa Mietsteigerungen bestmöglich zu nutzen.
Die im Zuge von Ukraine-Krieg und Inflation entstandene Zinswende hat sich längst als Game Changer für Immobilien-Unternehmen rund um den Globus entpuppt. Wie beurteilen Sie die Situation?
Es ist absehbar, dass uns multidimensionale Krisen und die damit verbundenen Herausforderungen langfristig begleiten werden. Der Produktionsfaktor Immobilie wurde aufgrund stetig steigender Kapital-, Grunderwerbs- und Baukosten jedoch schon vor der viel zitierten „Zeitenwende“ kontinuierlich teurer, sowohl bei Neubauten als auch bei der Instandhaltung und Weiterentwicklung im Bestand. Gleichzeitig nehmen die Anforderungen an Nachhaltigkeit kontinuierlich zu, was oft mit umfangreichen Investitionen verbunden ist. Daher muss der Fokus im Asset Management einerseits auf der Umsetzung von potenziellen Ertragssteigerungen liegen, andererseits flexible Strategien verfolgen, die sich den ständig verändernden Nutzeranforderungen anpassen können.
Welche Nutzungsarten sind von der Zinswende besonders hart getroffen und wie sind die Perspektiven auf den verschiedenen Märkten?
Immobilieninvestments, unabhängig von Nutzungsart und Region, sind besonders betroffen, wenn sie kurzfristig Anschlussfinanzierungen benötigen oder aufgrund hoher Leerstandsquoten wie in einigen nordamerikanischen Büromärkten einen nicht ausreichend hohen Kapitaldienstdeckungsgrad (DSCR) erzielen. Mögliche Schwierigkeiten bei Immobilieninvestments sind jedoch oft komplexer und lassen sich nicht nur auf die Situation an den Kapital- oder regionalen Immobilienmärkten reduzieren. Oftmals sind „gestrandete Immobilien“ nicht konsequent genug an den Bedürfnissen der Nutzer ausgerichtet. Die Pandemie hat beispielsweise nicht nur das Reiseverhalten, sondern auch die Ansprüche von Mitarbeitenden an ihre Büroumgebung verändert. Faktoren wie demografischer Wandel und Fachkräftemangel führen dazu, dass ein Bürobesuch heutzutage einen ähnlich hohen „Convenience-Anspruch“ erfüllen muss wie ein Aufenthalt in einem guten Business-Hotel.
Inwieweit ergeben sich auf internationaler Ebene Synergien zwischen den Immobilienmärkten für Hotels, Büros sowie für Logistik- und Einzelhandelseinrichtungen?
Als internationaler Immobilieninvestor schätzen wir die Vorteile lokaler Marktpräsenzen sehr. Um ein Beispiel zu nennen: Mit unserem Team vor Ort in Madrid können wir nicht nur unsere Büro- sondern auch unsere Hotelmieter in Spanien optimal betreuen. Gleichzeitig ergeben sich dadurch Synergien bei der Steuerung der Property Manager. Unser auf den Hotel- und Logistikbereich spezialisiertes Team in Hamburg unterstützt dabei mit hoher fachlicher Expertise. Unser Ziel ist es, ein ganzheitliches Asset Management anzubieten, das sowohl interkontinental in verschiedensten Märkten agiert als auch die synergetischen Beziehungen zwischen den Asset-Klassen erkennt und nutzt. „Büros wie Hotels denken und andersherum“ lautet die Devise. Ein Beispiel dafür ist die Nutzung von kollaborativ und gastronomisch nutzbaren Flächen in einer unserer Büroimmobilien in Dallas, USA. Die Integration von Workspaces in Hotels ist bereits gängige Praxis, wohingegen die Kombination von Büro- und Gastronomiekonzepten noch eher ein Novum darstellt.
Die Immobiliensparten Büro und Einzelhandel haben es angesichts von Home-Office-Trend und dem immer stärkeren Online-Handel mit erheblichen strukturellen Herausforderungen zu tun, die es so direkt für den Sektor Hospitality nicht gibt. Welche Rolle spielt das für die künftige Entwicklung auf den verschiedenen Märkten?
Erfolgreiche Büro- und Einzelhandelshandelsimmobilien werden in Zukunft ihre Positionierung außerhalb ihrer ursprünglichen Funktion finden müssen. Das liegt daran, dass ein Großteil der früheren Büroarbeit nicht mehr im traditionellen Büro stattfindet und viele Einkäufe nicht mehr stationär getätigt werden müssen. Im stationären Handel steht nicht mehr nur die (Grund-)Bedarfserfüllung im Vordergrund, sondern das Erlebnis. Büros werden zunehmend als Orte der Begegnung gesehen und müssen gleichzeitig durch einfache Erreichbarkeit und zusätzliche Leistungen/Einrichtungen so attraktiv werden, dass Mitarbeitende gern den Weg zur Arbeit und die damit verbundenen Kosten und Zeitaufwände in Kauf nehmen. Das lässt sich auf die Hotellerie übertragen: Je attraktiver Hotel-Zusatzangebote sind, desto unabhängiger wird die Nachfrage von reinen Übernachtungsbedürfnissen. Im Idealfall entscheidet sich ein Gast für ein Hotel nicht nur aufgrund des Übernachtungsbedarfs, sondern wegen des Hotels selbst.
Der Bau neuer Hotels ist in den vergangenen Jahren erheblich teurer geworden. Inwieweit wirkt sich das auf das Marktgeschehen in diesem Bereich aus?
Viele Hotelgesellschaften haben ihren Entwicklungsfokus, besonders im Mittelklasse- und Lifestyle-Segment, auf Bestandsimmobilien verlagert. Zudem werden bestehende Markenkonzepte flexibler gestaltet und lernen, mit reduzierten Raumprogrammen effizienter umzugehen. Für Anschlussvermietungen in unserem Portfolio bieten sich daher zurzeit besonders viele Chancen auch im Hinblick auf die Konversion von Büroimmobilien. Neu ist, dass langfristige Hotel-Forecasts kaum noch belastbar sind, da sich Marktentwicklungen insgesamt volatiler gestalten und die Kostenkontrolle schwieriger geworden ist.
Erwarten Sie weitere harte Jahre für die internationalen Immobilienmärkte oder erkennen Sie Licht am Ende des Tunnels?
Aktuelle Umfrageergebnisse deuten bereits auf erste Verbesserungen des Investitionsklimas hin, den Logistikmärkten werden dabei die besten Rahmenbedingungen bescheinigt. Für das Wiederanlaufen vieler Investmentmärkte sind jedoch ein erkennbares Ende der Preisfindungsphase und eine rückläufige Zinsentwicklung entscheidend. Unabhängig vom Marktzyklus werden im Bestand weiterhin die Qualität der Immobilien und die Ausrichtung an den Nutzeranforderungen über den Vermietungserfolg entscheiden.
Erkennen Sie große Unterschiede zwischen den Immobilienmärkten in den verschiedenen Teilen dieser Welt?
Die Immobilienmärkte unterliegen unterschiedlichen Zyklen und es ist wichtig, die sich daraus ergebenden Chancen je nach Region und Assetklasse zu erkennen und zu nutzen. Das richtige Timing bleibt entscheidend für erfolgreiche Vermietungen und Verkäufe. Beispielsweise konnten wir kürzlich Büroimmobilien in Singapur, Japan und der Schweiz profitabel verkaufen. Der Vermietungsmarkt funktioniert zudem in vielen Teilen der Welt noch gut. Das belegt unsere beeindruckende Vermietungsbilanz von über 1,0 Mio. qm im Jahr 2023 und eine durchschnittliche Vermietungsquote von 95,5 Prozent nach Ertrag in unseren Fonds.
Wie positioniert sich Union Investment in der derzeitigen, sicher nicht einfachen Gemengelage?
Performance, Nachhaltigkeit und Portfolio-Resilienz haben für uns derzeit höchste Priorität. Wir stellen global eine deutliche Beschleunigung von Veränderungstendenzen in den Immobilienmärkten fest. Daraus resultiert für uns die Notwendigkeit, zukünftige Anforderungen unserer Mieter noch schneller und präziser zu antizipieren und umzusetzen. Wir entwickeln zudem unsere Asset-Management-Teams und Systeme weiter und setzen gerade in den Bereichen Digitalisierung und Nachwuchskräfte-Entwicklung wichtige Transformationsanforderungen um.
Welche strategische Rolle in Ihren Plänen spielt das Thema Hotel und wird die Nutzungsart in Zukunft zu den Gewinnern oder den Verlierern in Ihrem Portfolio gehören?
Unsere Hotels liefern seit Jahren überdurchschnittlich hohe Performance-Beiträge für unsere Fonds und sind ein wichtiger Baustein zur Risikodiversifikation. Als Betreiberimmobilien, die ihr Produkt tagtäglich „an den Gast bringen müssen“, unterliegen Hotels zudem einem kontinuierlichen Markttest, der uns hilft, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Immobilien zu beurteilen und bei Bedarf weiterzuentwickeln. Ein aktives Asset Management bleibt zentral, um diesen Erfolg auch für die Zukunft zu sichern.