Wie gewonnen, so zerronnen

Wie gewonnen, so zerronnen

Der Autor Jens Rosenbaum ist Herausgeber, Journalist und Hotel-Betten-Experte.

Premier Inn legt ein kräftiges Wachstum hin und macht durch starke Umsatzzahlen auf sich aufmerksam. In Hannover wurde 2021 das ehemalige Star Inn mit 179 Zimmer übernommen und umgestaltet. In unmittelbarer Nachbarschaft steht zudem die baldige Eröffnung eines weiteren, neuen 220-Zimmer-Hotels der Gruppe bevor, was die Zahl von bislang 53 Hotels in Deutschland weiterwachsen lässt. Premier Inn wirbt mit Raten ab 49 Euro. Wir haben uns angesehen, was dafür geboten wird.

Zimmer

Was darf man für 60 Euro erwarten? Oder gar für 49 Euro, wie es die Werbung verspricht, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt werden. Bei Premier Inn in Hannover sind dies zirka 3,70 mal 3 Meter für das reine Zimmer und etwas weniger für Flur und Bad zusammen. Der Schreibtisch neben dem Bett umfasst auch eine Koffer- und Schuhablage, die aber nur eingeschränkt nutzbar ist – ein Teil der Ablage verschwindet unter der Schreibtischplatte. Abhängig vom Gepäckmaß reicht das aus oder eben nicht. Dazu stehen ein separater Stuhl und ein schöner Sessel sowie der fast schon obligatorische Flachbildschirm an der Wand gegenüber dem Bett. Das Lichtkonzept ist praktisch und einfach bedienbar, die Klimaanlage arbeitet leise und effizient. Der Boden ist anders als der Flur mit textiler Auslegware belegt. Im Flur selbst finden sich Schrankfächer neben Safe und Garderobenhaken. Hier kann man es sehr gut aushalten, da das Zimmer eine gewisse Gemütlichkeit und Klarheit ausstrahlt und trotz der räumlichen Enge kein solches Gefühl vermittelt. Das ist in Summe eine mehr als solide Leistung, die überzeugt.

4,5 von 5 Punkten

Bett

Mit einem Format von 160 mal 200 Zentimetern und einer Bettkantenhöhe von 63 Zentimetern beherrscht das Bett das Zimmer, was nicht verwundern darf, nimmt es doch ein Drittel des Raumes ein. Dabei ruht die zirka 25 Zentimeter hohe und 160 Zentimeter breite Bonellfederkernmatratze mit integriertem Schaumtopper auf zwei 80 Zentimeter breiten, brückenähnlichen Untergestellen. Brückenähnlich, da die Füße des Bettes nur durch ein mit Stoff bespanntes Brett verbunden sind. Der Schlafkomfort ist zwar noch ausreichend, aber die Punktelastizität der Matratze bauartbedingt mäßig. Die Lagerung auf einem Brett wird die Lebenszeit der Matratze zudem reduzieren: Die Federn der Matratze werden mangels Unterfederung schneller ermüden und der Schlafkomfort wird mit der Zeit abnehmen, da sich eine Kuhle bilden wird. Der Matratzenbezug ist nicht abnehmbar und somit auch nicht waschbar, womit keine nachhaltige, langfristige Nutzung möglich sein wird. Diese Sachverhalte werden in Summe ein vorzeitiges Austauschen der Matratze mit hoher Wahrscheinlichkeit erzwingen. Je Bettseite erwartet den Gast nur ein Kissen im Format 76 mal 44 Zentimeter mit einer Polyesterfüllung. Am Fuß des Bettes wird jedoch per Karte darüber informiert, dass bei Bedarf festere Kissen im Flurschrank zu finden sind. Dort finden sich auch Kissen gleicher Bauart, aber mit mehr Füllung und somit spürbar fester. Matratze und Kissen sind mit Schutzbezügen ausgestattet. Die Zudecke im Format 240 mal 220 Zentimeter, ebenfalls mit einer Polyestermikrofaserfüllung, ist überdimensioniert. Auch hier wird der Gast über die ausgelegte Karte informiert, dass bei Bedarf an der Rezeption ein kühleres Baumwollbettlaken erhältlich ist, was in Anbetracht der sehr schweren und warmen Zudecke eine gute Alternative darstellt. Das ist beachtlich viel Auswahl für ein Budget-Hotel und nimmt Rücksicht auf individuelle Schlafbedürfnisse. In Summe daher auch hier ein überzeugendes Angebot, was alle Achtung verdient! Jedoch gibt es bei der Matratze aufgrund fehlender Nachhaltigkeit sowie eingeschränkter Hygienemöglichkeiten Abzüge.

2,5 von 5 Punkten

Bad

Das Bad hat auf kleinem Raum alles, was benötigt wird, wobei die ebenerdige Dusche sogar ausgesprochen großzügig ist. Für eine Person ausreichend Bewegungsraum, gut beleuchtet und funktional. Der Seifenspender am Handwaschbecken ist zwar defekt, aber das schmälert nicht das Ergebnis.

4 von 5 Punkten

Hygiene

Jetzt kommt das Aber. Auch hier wird der Gast über eine weitere, auf dem Bett ausgelegte Karte über „Premier Inn CleanProtect“ informiert. Es wird damit geworben, dass das Housekeeping das Zimmer nach höchsten Standards reinigt. Nun, das ist leider nicht ganz so. Das Bett weist zwar in Summe sehr gute Hygienewerte auf, der Matratzenschutzbezug hingegen leider nicht. Neben etlichen Flecken, die sich dort augenscheinlich über die Zeit angesammelt haben, weist er auch einen fast doppelt so hohen Verschmutzungsgrad auf wie branchenüblich. Im Durchschnitt aller Werte reicht das dennoch ganz knapp für die Hygieneklasse Zwei (1.944 KbE). Doch scheint der hygienisch auffällige Schutzbezug kein Ausrutscher, denn auch an anderen Stellen schwächelt das Hygienekonzept. Neben fehlender Reinigungstiefe in der Toilette, was rein optischer Natur wäre, gibt es auch Probleme zum Beispiel mit dem Wasserkocher, der Fernbedienung oder der Dusche, die jenseits akzeptabler Werte liegt. So weist die Dusche eine gemessene KbE von 250.000 (!) auf, was fast dem Hundertfachen des normalen Durchschnittswertes entspricht. Da lebt etwas, was nicht leben darf – und das nicht erst seit gestern. Aber auch ohne die Dusche landet die Hygiene im Zimmer (ohne Bett) über dem doppelten Wert des allgemeinen Durchschnitts, der bei 1.527 KbE liegt, bei Premier Inn jedoch bei 3.119 KbE, wohlgemerkt ohne Dusche. Und das spricht nicht gerade für ein funktionierendes „CleanProtect“. 

0 von 5 Punkten

Service

Der Service vor Ort war freundlich, zuvorkommend und nach eigener Auskunft 24/7 erreichbar. Die via Mailversand zugesagte Rechnung traf jedoch nicht ein, im Gegensatz zur Buchungsbestätigung. Ein Fehler bei der E-Mail-Adresse scheidet damit also aus. Ebenso wenig wurden die Fragen beantwortet, die via Internet-Kontaktseite gemäß den dortigen Vorgaben gestellt wurden und nach Auskunft der Webseite von Premier Inn eigentlich binnen drei Tagen hätten beantwortet werden sollen. Eigentlich. Das ist sehr schade, weil unnötig.

2 von 5 Punkten

Fazit

Das Zimmer- und Bettenangebot als solches ist für diesen Preis beindruckend gut. Respekt. Aber alles hat seinen Preis und irgendwo muss wohl doch gespart werden, wenn bei einer Zimmerrate von 60 Euro noch einen Ertrag erzielt werden soll. Es drängt sich hier, auf Grundlage der erfassten Daten, der Eindruck auf, dass vielleicht auch das Housekeeping einen Beitrag zum Sparen leisten soll. Denn die zu beanstandenden Hygiene-Defizite sind keine Ausrutscher im klassischen Sinne, sondern lassen vermuten, dass stets zu wenig Zeit ist. Zu wenig Zeit, den Wasserkocher zu kontrollieren, den Matratzenschutzbezug zu wechseln oder die Dusche gründlich zu reinigen. Selbst Reinigungsmittel brauchen Zeit, um gründlich aufgetragen und wirken zu können. Da gibt es keine sinnvolle Abkürzung. Denn auch wenn das Zimmer klein ist, bedeutet dies nicht, dass das Housekeeping dafür auch weniger Zeit benötigt. Es sind nicht die Flächen der Böden, auf die es ankommt, sondern die Menge der zu beachtenden Details. Und die ist hier nicht viel kleiner als in einem Vier-Sterne-Superior-Hotel, das 200 Euro pro Nacht mehr nimmt. Die gravierenden Hygienemängel und die Defizite im Service verhindern leider ein gutes Gesamtergebnis.

Gesamt: 2 von 5 Punkten

Empfehlung

Es wäre zu wünschen, wenn hier, bei einem sonst wirklich guten Grundprodukt, die Service- und Hygienekonzepte überprüft werden würden, um mögliche, systemische Schwachstellen zu finden und zu beheben. Denn wer schon Informationskarten auf die Betten legt, um über Optionen für einen „traumhaft guten Schlaf“ oder über „CleanProtect“ zu informieren, sollte die darin getätigten Versprechen auch einhalten, denn er geht ja bewusst über die normale Erwartung der Gäste hinaus. Beim Bett gelingt dies (bis auf die Nachhaltigkeit), bei der Hygiene gelingt dies hingegen (noch) nicht. Die Lösung für diese Probleme liegt vielleicht in einem Mehr an Zeit für das Housekeeping. Zumindest sollte daran nicht gespart werden, denn sonst macht man sich hinten kaputt, was vorne mühsam errichtet wurde.

Hotel:                                      Premier Inn Hannover City University

Zimmeranzahl:                       179

Kategorie:                              Budget

Eröffnung:                              2021

Test:                                        August 2023

Bezahlte Rate:                       60,00 Euro, ohne Frühstück

Fünf Jahre Hotel-Betten-Test haben eine umfangreiche Datenbasis geschaffen, die es nun ermöglicht, über den reinen Fokus Hotel-Bett hinauszugehen. Auf dieser Grundlage wurde der Test neu strukturiert und berücksichtigt künftig Zimmer, Bett, Bad, Hygiene und Service.